

Reizdarm bei Frauen: Neue Erkenntnisse zur Darm-Hirn-Achse im Interview mit Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack
Reizdarm betrifft Millionen – besonders häufig Frauen. In einer spannenden Folge des Healthwise Podcasts spricht Moderator Nils Behrens mit Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack über die Ursachen, Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den Einfluss von Hormonen auf den Darm. Das Interview bietet fundiertes Wissen, praktische Tipps und neue Perspektiven auf das Reizdarmsyndrom als echte, physiologisch erklärbare Erkrankung – ganz ohne Scham.
Was ist Reizdarm? Neue medizinische Sichtweise
Reizdarm wird heute als Störung der Darm-Hirn-Achse definiert – ein komplexes Zusammenspiel aus zentralem Nervensystem, Verdauungssystem und Mikrobiom. Die klassische Diagnose „alles sieht normal aus“ wird dadurch ersetzt durch ein tieferes Verständnis physiologischer Prozesse wie gestörter Nervenfunktionen, hormoneller Einflüsse oder Mikrobiom-Verschiebungen.
Warum sind besonders Frauen betroffen?
70 % aller Reizdarmpatienten weltweit sind Frauen. Die Gründe sind vielfältig: hormonelle Schwankungen (z. B. Progesteron, Östrogen), Zyklusphasen, Endometriose, PCOS sowie Unterschiede im Darmmikrobiom. Frauen haben zudem eine langsamere Darmmotilität, was Verstopfung und Blähungen begünstigt.
Hormone und Mikrobiom: Eine enge Verbindung
Das sogenannte Östrobolom – eine Gruppe von Darmbakterien – beeinflusst den Östrogenhaushalt. Ein hoher Anteil an Beta-Glucuronidase-aktiven Bakterien kann zu einer Reaktivierung ausgeschiedener Östrogene führen. Dies steht im Verdacht, Erkrankungen wie Endometriose zu begünstigen. Zyklusbedingte Hormonschwankungen beeinflussen zudem Schmerzempfinden, Darmbewegungen und das Immunsystem.
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Diagnostik: Was sollte untersucht werden?
Neben der Basisdiagnostik (Magen-Darm-Spiegelung, Blutwerte, Ultraschall) empfiehlt Prof. Dr. Seiderer-Nack auch die Abklärung von Intoleranzen (z. B. Laktose, Fruktose), Leaky Gut, SIBO und gynäkologische Ursachen. Eine genaue Anamnese inklusive Zyklus- und Ernährungstagebuch ist unerlässlich.
Ernährung und Lifestyle: Was hilft wirklich?
Eine mikrobiomfreundliche Ernährung – ballaststoffreich, pflanzenbasiert und frei von hochverarbeiteten Lebensmitteln – ist essenziell. Ergänzend können probiotische Lebensmittel wie Kefir, Joghurt oder fermentiertes Gemüse hilfreich sein. Individuelle Trigger sollten mithilfe eines Ernährungstagebuchs identifiziert werden.
Mindset und Gender Pain Gap
Viele Frauen erleben eine medizinische Unterbewertung ihrer Beschwerden. Der sogenannte Gender Pain Gap bedeutet, dass Schmerzen bei Frauen oft nicht ernst genommen werden. Prof. Dr. Seiderer-Nack appelliert an Betroffene, für ihre Gesundheit einzustehen, Diagnostik einzufordern und über Reizdarm offen zu sprechen – ohne Scham.
Fazit: Wissen ist die beste Therapie
Reizdarm ist kein eingebildetes Leiden, sondern eine ernstzunehmende Störung der Darm-Hirn-Kommunikation. Mit fundierter Diagnostik, individueller Ernährung und hormonellem Verständnis lässt sich viel erreichen. Das Interview mit Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack liefert wertvolle Impulse – für eine neue, ganzheitliche Sicht auf Frauengesundheit.