

Parkinson verstehen: Prof. Dr. Claudia Trenkwalder über Früherkennung und Behandlung
Parkinson ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen – und sie beginnt oft Jahre, bevor die typischen Symptome auftreten. Die Neurologin und Parkinson-Expertin Prof. Dr. Claudia Trenkwalder erklärt im HEALTHWISE Podcast, warum frühe Warnzeichen entscheidend sind, wie moderne Diagnostik aussieht und warum Bewegung, Ernährung und Lebensstil eine wichtige Rolle im Umgang mit der Krankheit spielen.
Frühe Warnzeichen erkennen
Parkinson ist weit mehr als Zittern oder Bewegungsstörungen. Frühe Hinweise können sein:
- Riechstörungen – ein stark beeinträchtigter Geruchssinn.
- Traumschlaf-Verhaltensstörungen – unruhiges Schlafen, heftige Bewegungen oder Schreien in der Nacht.
- Verdauungsprobleme oder depressive Verstimmungen – Symptome, die oft übersehen werden.
Diese Anzeichen können viele Jahre vor der eigentlichen Diagnose auftreten und sollten ernst genommen werden.
Moderne Diagnostik
- Biomarker: Eiweißstoffe wie Alpha-Synuklein sind aktuell ein Forschungsschwerpunkt.
- Riechtest oder Schlaflabor: einfache bis spezialisierte Untersuchungen für die Früherkennung.
- DAT-Scan: ein nuklearmedizinischer Test, der Dopamintransport im Gehirn misst – sehr spezifisch, aber aufwendig.
Eine hundertprozentige Diagnose zu Lebzeiten ist nicht möglich, aber moderne Verfahren erreichen eine sehr hohe Genauigkeit.
Therapie und Lebensstil
- Medikamentöse Behandlung: Mit Dopaminersatz (z. B. Levodopa) startet man, sobald motorische Symptome wie Steifigkeit oder Gangstörungen auftreten.
- Pumpentherapie & tiefe Hirnstimulation: Neue Technologien sorgen für gleichmäßigere Wirkungen und mehr Lebensqualität.
- Bewegung als Schlüssel: Sportarten wie Tischtennis, Krafttraining und Koordinationstraining wirken symptomlindernd und könnten den Verlauf positiv beeinflussen.
- Ernährung und Darmgesundheit: Mediterrane Ernährung, ballaststoffreich und arm an Milchprodukten, unterstützt eine gesunde Darmflora – möglicherweise wichtig für die Krankheitsentwicklung.
- Fasten & Intervallfasten: können Entzündungen reduzieren und positive Effekte auf den Verlauf haben.
Unterstützung für Angehörige
Ein aktiver, offener Umgang mit der Erkrankung erleichtert das Leben aller Beteiligten. Verständnis ist wichtig: Verlangsamung oder Rückzug sind oft krankheitsbedingt – nicht böser Wille. Gemeinsame Aktivitäten und Akzeptanz fördern Lebensqualität und Verbundenheit.
Praktische Take Aways für den Alltag
- Frühe Symptome beachten: Riechstörungen oder Schlafverhalten ernst nehmen.
- Bewegung ist Therapie: Kraft, Koordination und regelmäßige Aktivität einbauen.
- Mediterrane Ernährung bevorzugen: Pflanzlich, ballaststoffreich, entzündungsarm.
- Fasten ausprobieren: Intervallfasten kann entzündliche Prozesse durchbrechen.
- Offenheit leben: Erkrankung nicht verstecken, sondern in Familie und Umfeld integrieren.
Rechtlicher Hinweis
Die hier dargestellten Inhalte dienen ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzen keine ärztliche Beratung oder Behandlung.
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Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Zusammenspiel von Bewegungsstörungen und Schlaf. Ein zentraler Ansatz ihrer Arbeit ist, neurologische Erkrankungen wie Parkinson nicht nur über motorische Symptome zu betrachten, sondern auch die damit verbundenen Schlafstörungen mitzudenken. Sie verbindet klinische Beobachtungen mit moderner Bildgebung und genetischen Untersuchungen, um Krankheitsmechanismen besser zu verstehen. Dabei legt sie besonderen Wert auf ganzheitliche Therapiekonzepte: Medikamente, die Bewegungsstörungen lindern, sollen gleichzeitig Schlafqualität verbessern und Alltagssymptome wie Müdigkeit oder Unruhe reduzieren. Mit diesem integrativen Blick hat sie die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Parkinson und Restless-Legs-Syndrom nachhaltig geprägt.
Mehr zu Dr. med. Claudia Trenkwalder: https://www.neurologie-graefelfing.de/team/prof-dr-med-claudia-trenkwalder
127 Parkinson früh erkennen und verstehen. Mit Prof. Dr. Claudia Trenkwalder
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (0:00 - 0:27)
Und dass man vielleicht zu der Erkrankung steht. Es ist viel einfacher, wenn die Familie, teilweise auch die Freunde wissen, es besteht eine Parkinson-Erkrankung, aber ich gehe aktiv damit um und manche Sachen gehen halt, manche gehen nicht so gut, aber man akzeptiert es. Es ist sehr schwer, wenn einzelne Patienten das, sage ich mal, komplett verstecken möchten.
[Nils Behrens] (0:27 - 1:32)
Herzlich willkommen zu HEALTHWISE, dem Gesundheitspodcast präsentiert von Sunday Natural. Ich bin Nils Behrens und in diesem Podcast erkunden wir gemeinsam, was es bedeutet, gesund zu sein. Wir tauchen ein in Themen wie Medizin, Bewegung, Ernährung und emotionale Gesundheit.
Immer mit einem weisen Blick auf das, was uns wirklich gut tut.
Parkinson beginnt oft, bevor man etwas merkt und betrifft viel mehr als nur die Motorik. Wer heute besser verstehen will, wie sich Parkinson früh erkennen, gezielt behandeln und aktiv beeinflussen lässt, braucht neben medizinischem Know-how auch ein tiefes Gespür für die Lebensrealität der Betroffenen. Prof. Dr. Claudia Trenkwalder ist Fachärztin für Neurologie und weltweit anerkannte Parkinson-Expertin. Als Präsidentin der internationalen Parkinson and Movement Disorder Society war sie maßgeblich an den Leitlinien und Forschung beteiligt. Mit ihrem neuen Buch „Expertenwissen Parkinson“ möchte sie PatientInnen und Angehörige stärken mit Wissen, Hoffnung und ganz praktischen Tipps für ein selbstbestimmtes Leben mit der Erkrankung. Herzlich Willkommen, Prof. Dr. Claudia Trenkwalder.
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (1:32 - 1:33)
Ja, vielen Dank.
[Nils Behrens] (1:35 - 1:39)
Schön, dass Sie da sind, Frau Prof. Trenkwalder. Sagen Sie, wie sieht denn für Sie ein guter Sonntag aus?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (1:40 - 2:01)
Ein guter Sonntag beginnt erstmal langsam und beginnt mit ein bisschen Aktivität, hoffentlich bei schönem Wetter im Garten draußen, dann vielleicht mit einer Wanderung und dann mit Treffen der Familie und auf keinen Fall Stress. Das wäre für mich ein guter Sonntag.
[Nils Behrens] (2:02 - 2:12)
Auf keinen Fall Stress, finde ich, klingt auf jeden Fall schon mal sehr gut. Ihr Buch heißt „Expertenwissen Parkinson“. Was war Ihr Antrieb, dieses Wissen gerade jetzt einem breiten Publikum zugänglich zu machen?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (2:13 - 2:55)
Auf dem Gebiet der Parkinson-Krankheit gibt es so vielfältige Symptome und es ist oft in der Bevölkerung nur als Erkrankung mit Zittern und vielleicht Unbeweglichkeit bekannt. Aber das ganze breite Spektrum der Erkrankung, das wir erst in den letzten Jahren wirklich erfasst haben, das sollte man noch mal weiter bekannt machen und vor allem auch die Möglichkeiten, vielleicht sogar frühzeitig einzugreifen und eine Besserung im Verlauf zu bewirken und wie Aktivität dem Einzelnen helfen kann und deshalb zusammengefasst in dem Buch.
[Nils Behrens] (2:56 - 3:01)
Ja, was hat sich denn in den letzten Jahren so verändert, was das Verständnis der Krankheit betrifft?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (3:01 - 3:53)
Es hat sich vor allem verändert, dass wir jetzt mehr die sogenannten nichtmotorischen Symptome erfassen und erkennen, dass Parkinson eigentlich eine Erkrankung des gesamten Körpers ist, dass viel mehr Bereiche mit betroffen sind. Zum Beispiel auch die Psyche, aber auch die Verdauung, die Ernährung. Es ist ein großes Spektrum, das wir nicht vergessen sollten und es hat sich auch geändert, dass wir frühe Marker haben, um die Erkrankung anhand von bestimmten Eiweißstoffen vielleicht ganz frühzeitig zu erkennen oder dass die Riechfunktion beeinträchtigt ist.
Auch das kann ein frühes Zeichen sein und das sollten wir einfach weiterverbreiten.
[Nils Behrens] (3:54 - 4:18)
Ja, finde ich sehr spannend, weil Sie schreiben ja, dass viele Symptome, die auf Parkinson hinweisen könnten, sozusagen schon sehr, sehr viele Jahre früher vor der Diagnose auftreten+ könnten. Welche Warnzeichen sollte man denn ernst nehmen? Also Sie hatten jetzt schon das Thema Riechen besprochen, aber ich glaube, einige Sachen wirken erstmal harmlos, aber trotz allem, wenn das und das auftritt, was sind sozusagen die ersten Symptome, auf die man achten sollte?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (4:18 - 5:06)
Also worauf man besonders achten sollte, weil es eben sehr spezifisch ist, sind Traumschlaf-Verhaltensstörungen. Das heißt, wenn jemand eigentlich immer ganz gut geschlafen hat und dann plötzlich so im mittleren Lebensalter oder vielleicht auch in älteren Jahren heftige Träume hat, in der Nacht sich heftig bewegt, vielleicht sogar mal aus dem Bett fällt, laut schreit in der Nacht, dann ist das ein Zeichen, dass da eine Veränderung im Gehirn stattgefunden hat. Und das kombiniert zum Beispiel mit einer Riechstörung, hat einen hohen Erkennungswert, dass möglicherweise, vielleicht auch erst viele Jahre später, eine Parkinson-Erkrankung hier starten könnte.
[Nils Behrens] (5:08 - 5:29)
Wow, das ist schon eine Kombination. Also ich würde sagen, Schlafprobleme haben viele Leute und man stellt ja insgesamt fest, insbesondere Männer, dass die sowieso nicht so gut riechen können. Also ich glaube, dass wahrscheinlich jetzt der eine oder andere von den HörerInnen nervös werden konnte.
Sagen Sie, wie kann denn da der Hausarzt helfen, Parkinson früher zu erkennen?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (5:30 - 6:14)
Also ich glaube, der Hausarzt erfährt das mit den Schlafstörungen vielleicht sogar als erstes, denn da wäre die Anlaufstelle dafür. Der könnte dann zum Beispiel weitervermitteln zu einem Neurologen oder vielleicht sogar in ein Schlaflabor, wenn man hier den Verdacht hat, dass da eine neue Störung begonnen hat. Aber der Hausarzt kann auch beobachten, wenn sich jemand verändert und einfach zum Beispiel langsamer wird, dass es vielleicht mehr als nur der normale Alterungsprozess ist.
Ich glaube, man schreibt viel zu viel einem sogenannten Alterungsprozess zu, der gar nicht wirklich in dem Sinn stattfindet.
[Nils Behrens] (6:16 - 7:04)
Ja, kann ich sehr gut nachvollziehen. Mein Schwiegervater hatte Parkinson und der hatte zum Beispiel auch bis zum Schluss, wenn ich es so richtig weiß, nicht dieses Zittern. Man denkt ja immer, dass das so eine der großen Parkinson-Erkennungszeichen sind, aber das hatte er wirklich auch bis zum Schluss nicht.
Er war auch immer ein sehr aktiver Radrennfahrer, also sehr sportlich. Bei dem fing das als erstes an, dass er dieses Fahrradfahren nur noch so eingeschränkt hatte. Nichtsdestotrotz, wenn man jetzt einfach sagt, man möchte jetzt wirklich sicher gehen, gibt es da irgendwelche Tests, wo man sagen kann, damit könnte man es wirklich sicher machen?
Also gibt es Bluttests, Gentests, Schlaflabors, also worüber würde man jetzt sozusagen eine mögliche Früherkennung dann wirklich gut erreichen können?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (7:04 - 9:53)
Also wenn man im ganz frühen Stadium ist, das heißt, wir nennen es Prodromal-Stadium, dann bestehen ja noch keine typischen motorischen Symptome, denn die eigentliche klinische Diagnose ist weiterhin eine Diagnose der motorischen Symptome. Also Zittern, Steifigkeit, Verlangsamung. Wenn diese Symptome noch gar nicht bestehen, sondern nur diese Prodromal-Symptome, die Schlafstörung zum Beispiel, die Riechstörung, aber auch Verdauungsstörungen, vielleicht eine depressive Verstimmung, dann sind wir noch in einem ganz frühen Stadium und dann brauchen wir andere Marker.
Dann brauchen wir sozusagen Biomarker, die wir da heranziehen können. Und da haben sich nun wirklich neuere Erkenntnisse gezeigt. Es gibt forschungsmäßig einen Test, der aber noch in der Forschung ist, um ein bestimmtes Protein, das Alpha-Synuclein, aber bisher verlässlich nur im Nervenwasser oder vielleicht in einer Hautbiopsie festzustellen.
Es gibt aber indirekte Tests, wie zum Beispiel ein Riechtest, was ja sehr einfach ist. Man kann jemand im Schlaflabor untersuchen, schon ein bisschen aufwendiger. Aber man kann auch noch Fragebogen hinzunehmen, um dann letztendlich etwas einzugrenzen, wie wahrscheinlich ist denn eine Diagnose.
Und wenn wir nun ziemlich nahe dran sind und überlegen, ist es vielleicht schon an der Grenze, dass erste Verlangsamung auftritt, dann könnte man auch eine nuklearmedizinische Untersuchung machen, den sogenannten DAT-Scan. Das heißt, man misst die Dopaminbindung im Gehirn, rechts und links, seitengetrennt, da der Parkinson meist asymmetrisch beginnt, um hier festzustellen, ob mit einer verminderten Dopamintransporterbindung eine Störung im Dopaminstoffwechsel bereits beginnt. Das ist dann aber schon wirklich ein sehr spezifischer Test und weist darauf hin, dass die Erkrankung tatsächlich im Beginn ist.
Mit diesem Test können wir aber noch nicht feststellen, ist es die klassische Parkinson-Krankheit oder ist es vielleicht eines der anderen Parkinson-Syndrome. Denn wir haben hier schon ein weiteres Spektrum. Aber wir können sagen, hier ist eine Störung im Dopaminstoffwechsel, das müssen wir weiter beobachten und untersuchen.
[Nils Behrens] (9:55 - 10:01)
Sie hatten eben gesagt, eine Untersuchung im Nervenwasser, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Was ist denn das Nervenwasser?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (10:01 - 10:56)
Das Nervenwasser oder der Liquor als Fachbegriff ist die Flüssigkeit, die das Gehirn und das Rückenmark umgibt und die man auch punktieren kann. Das kennen eigentlich viele Menschen unter dem Begriff Rückenmarksnarkose, was eigentlich der falsche Begriff ist, denn es wird nicht das Rückenmark punktiert, sondern nur die Flüssigkeit, die das Rückenmark umspült. Zum Beispiel, wenn im Bereich der Beine etwas operiert wird, dann kann man hier eine Punktion machen.
Es wird aber auch vielfach diagnostisch in der Neurologie verwendet, um entzündliche Erkrankungen wie die Multiple Sklerose zum Beispiel zu untersuchen. Das heißt, eine Punktion des Nervenwassers ist eigentlich keine große Sache und ein seit Jahrzehnten verwendeter Test.
[Nils Behrens] (10:58 - 11:21)
Ich finde das ganz interessant. Alles, was Sie jetzt so beschreiben, klingt so, als ob es nicht hundertprozentig ist. Es geht ja wirklich darum, wenn man es umso früher erkennt, umso besser ist es ja.
Es klingt aber jetzt so, als ob wenn es in einem sehr frühen Stadium ist, es nicht so einfach ist, eine hundertprozentige Diagnostik zu erzielen. Oder habe ich Sie jetzt vielleicht da falsch verstanden?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (11:21 - 12:11)
Völlig richtig. Es ist nicht nur im frühen Stadium nicht so einfach, sondern auch wenn die Erkrankung manifest ist. Hundertprozentig gibt es nicht.
Hundertprozentig gibt es erst dann, wenn wir die gesamte Klinik über mehrere Jahre vergleichen können und das Gehirn vor uns haben. Das heißt, zu Lebzeiten würde ich sagen, gibt es keine hundertprozentige der korrekten Parkinson-Diagnose. Aber wir kommen auf deutlich über 90 Prozent und wir kommen in ein Stadium, wo wir dem Patienten auf alle Fälle helfen können.
Denn das ist ja das Entscheidende. Nicht nur, was auf dem Papier steht, sondern kann ich eine Behandlung beginnen, die dann auch wirklich einen Effekt hat.
[Nils Behrens] (12:13 - 12:23)
Okay, dann lassen Sie uns doch mal über die Behandlung sprechen. Das heißt, was ist der richtige Zeitpunkt, wahrscheinlich dann mit einer Medikation zu starten? Oder was wäre eine Art von Behandlung?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (12:23 - 13:27)
Ja, das ist jetzt die ganz große Frage. Warum machen wir denn diese ganzen Frühzeichen, Frühdiagnostik, Prothromal-Stadium? Weil wir eben ein frühes Stadium erkennen wollen.
Wir haben aber derzeit noch keine Medikation, die wir in diesem frühen Stadium einsetzen können, um den Verlauf der Erkrankung zu verbessern. Aber auch das ist ein großer Forschungsbereich mit der größte, würde ich eigentlich sagen, zurzeit, um Medikamente zu entwickeln, die hier den Verlauf ändern. Im Augenblick ist es so, dass wir dann mit einer definitiven Behandlung, mit einer Dopaminsubstanz, Levodopa zum Beispiel, einsetzen, wenn motorische Symptome vorhanden sind.
Das heißt, wenn eine Verlangsamung da ist, eine Gangstörung, ein Zittern, dann ist der Zeitpunkt gegeben, wo wir behandeln sollten, um dieses zu verbessern. Und das können wir mit Levodopa auch meistens.
[Nils Behrens] (13:29 - 13:49)
Ich hatte das noch so in Erinnerung von der Behandlung meines Schwiegervaters, dass es so eine Wirkfluktuation gab. Habe ich das richtig in Erinnerung, dass man wirklich so Tage hatte, wo die Medikamente wirklich nicht funktioniert hatten und am nächsten Tag die gleiche Medikation oder in der nächsten Woche, sage ich mal, die gleiche Medikation eine Wirkung erzielte?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (13:49 - 14:52)
Ja, das gibt es, Wirkfluktuationen, abhängig von der Medikationseinnahme von Levodopa. Aber da haben Sie Ihren Schwiegervater wahrscheinlich schon einige Jahre begleitet. Das gibt es nämlich nicht am Anfang, sondern erstens nach fünf bis acht Jahren, vielleicht auch später, wenn nämlich der Speicher von Dopamin im Gehirn abgenommen hat oder gar nicht mehr vorhanden ist.
Das heißt, wenn die Medikation, die ich schlucke, auch sofort dann ins Blut übergeht und den aktuellen Spiegel im Gehirn darstellt. Das sind die Wirkfluktuationen, dass er mal hoch und mal niedrig ist und davon abhängig ist der Zustand mal gut und schlecht. Das variiert meistens mehrfach während des Tages.
Auch da gibt es Möglichkeiten, das auszugleichen. Aber das ist ein Problem der Parkinson-Erkrankung, wenn sie über viele Jahre besteht.
[Nils Behrens] (14:54 - 14:55)
Und wie würde man sowas ausgleichen?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (14:55 - 16:01)
Man würde versuchen, mit einer Kombinationstherapie Medikamente zu geben, die eine längere Wirkdauer haben und damit nicht so wie Levodopa, das ungefähr so drei, vier Stunden wirkt und mal auf und mal ab geht dann, sondern Medikamente, die eine gleichmäßige dopaminhaltige Basis schaffen, damit eine Gleichmäßigkeit zu erzielen. Falls das mit Tabletten nicht mehr ausreichend möglich ist, was auch oft der Fall ist, da ja die Ernährung, die Mahlzeiten hier alles eine Rolle spielen, kann man auch heutzutage mit einer Pumpentherapie den Magendarmtrakt sozusagen austricksen und über eine subkutane, also unter die Haut gestochene Zufuhr von einer Medikation, über eine Medikamentenpumpe eine ganz gleichmäßige Wirkung erreichen.
[Nils Behrens] (16:04 - 16:15)
Was kann man denn grundsätzlich tun, wenn man jetzt eine sehr frühe Diagnose hat? Kann man irgendwas machen, um die Schmerzen, die Steifigkeit, die Gangunsicherheit, all diese Symptome wirklich zu lindern?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (16:16 - 17:33)
Ja, da kann ich nur sagen Bewegung, Bewegung, Bewegung. Immer mehr kommen wir zu der Ansicht, dass das Entscheidende die Bewegung ist. Und zwar einerseits, um die Symptome zu verbessern, aber möglicherweise ist auch noch mehr dahinter.
Dass nämlich die deutliche und vielleicht sogar extreme Muskelaktivität Substanzen freisetzt, die den Verlauf der Parkinson-Erkrankung selbst verbessern. Und das sind ganz neue Erkenntnisse, weil wir ja immer auch auf der Suche sind, warum verbessert denn die Bewegung in jedem Stadium der Erkrankung letztendlich dann die Symptomatik? Und da gibt es ganz viele Möglichkeiten, also entweder intensiver Sport, aber auch ganz gezielter Sport oder je nachdem, es gibt auch Tischtennis zum Beispiel, was eine sehr gute Methode ist, weil man gleichzeitig ja auch eine geistige Aktivität fördert und die körperliche Aktivität.
Also diese Kombinationen, die scheinen besonders förderlich für den Parkinson.
[Nils Behrens] (17:36 - 17:56)
Interessant, Tischtennis habe ich so verstanden, aber wenn Sie jetzt sagen würden, also das ist eine Frage, die ja generell auch immer im Zusammenhang mit Longevity, also das Thema der Langlebigkeit zu tun hat, ist ja immer die Frage Kraft, Ausdauer oder Koordination. Wo würden Sie denn sagen, wo ist wahrscheinlich der größte Nutzen sozusagen in der Kraft, in der Ausdauer oder in der Koordination?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (17:57 - 18:25)
Kraft und Koordination. Koordination ist gar nicht so einfach für Parkinson-Patienten, gerade was rechts-links betrifft, weil ja der Parkinson oft asymmetrisch ist. Also insofern ist die Koordination ganz wichtig, aber scheinbar auch die Kraft.
Also wir empfehlen jetzt zunehmend auch wirklich Muskel- und Krafttraining. Und der andere Bereich, der noch dazugehört, ist Ernährung und Schlaf.
[Nils Behrens] (18:27 - 19:21)
Auf das Thema Ernährung würde ich gleich nochmal kommen, Schlaf. Aber ich finde es ganz interessant, weil, also ich hätte jetzt auch auf das Thema Kraft gesetzt, weil natürlich durch den Muskelaufbau oder die Muskelaktivierung natürlich auch die Mitochondrien natürlich auch sehr stark immer aktiviert werden. Und gerade wenn gesunde Mitochondrien ja auch scheinbar eine positive Wirkung auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben, was ja letztendlich dann bei einer neurodegenerativen Erkrankung natürlich dann auch ein Vorteil sein wird, vermute ich mal.
Ich würde gerne mal, das Thema hat zwar indirekt auch schon oder vielleicht sehr direkt etwas mit dem Thema Ernährung zu tun, aber was würden Sie sagen ist der Zusammenhang zwischen dem Thema Darmgesundheit und Parkinson? Wir wissen ja, das häufig spricht man ja auch immer vom zweiten Gehirn da unten und wir wissen ja auch, dass die Informationswege vom Darm zum Gehirn ungefähr zehnmal so stark sind wie vom Gehirn zum Darm. Also hat man da eine neue Erkenntnis dazu?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (19:22 - 21:01)
Ja, also man ist eigentlich zunehmend der Ansicht, dass der Darm eine ganz wichtige Rolle gerade auch am Anfang der Parkinson-Krankheit spielt, weil nämlich eins dieser Proteine, das ganz entscheidend hier ist, das Alpha-Synuklein, das wird auch aus dem Darm mit freigesetzt und es scheint dort die sogenannte Aggregation stattzufinden. Das heißt, Alpha-Synuklein haben wir alle, brauchen wir auch alle ganz unbedingt, aber wir brauchen es in einzelner, vereinfacht gesagt, löslicher Form und wir brauchen es nicht verklumpt als Aggregation. Aber wenn entzündliche Prozesse da sind und entzündliche Prozesse finden allein schon bei einer Zuckerkrankheit statt, auch das ist schon eine innere Entzündung im Darmbereich, dann kommt es zu Alpha-Synuklein-Aggregate, die ins Blut und dann wahrscheinlich ins Gehirn übergehen, vielleicht auch über das vegetative Nervensystem direkt vom Darm ins Gehirn transportiert werden.
Und da versucht man im Augenblick daran zu arbeiten, dass wir möglichst gute Darmbakterien haben, die diesen entzündlichen Prozess reduzieren oder hoffentlich vielleicht gar nicht in Gang setzen. Und da ist natürlich die Ernährung ganz entscheidend. Mit Ernährung können Sie innerhalb kurzer Zeit, innerhalb eines Tages bereits eine Zusammensetzung Ihrer Darmflora verändern.
[Nils Behrens] (21:03 - 21:14)
Gut, dann lassen Sie uns doch mal in das Thema Ernährung einsteigen. Was empfehlen Sie zu einem besonders frühen Stadium und ändert sich das vielleicht zu einem späteren Stadium?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (21:15 - 22:15)
Also ich empfehle vor allem weniger Milchprodukte, das weiß man schon lange, auch aus großen epidemiologischen Studien, weil das Milcheiweiß etwas ist, was nicht für unseren Körper wirklich gut verträglich ist, auch wenn es immer so als gesund gilt. Aber das ist es nicht. Es ist viel günstiger, mehr pflanzliche Produkte aufzunehmen, vor allem Ballaststoffe.
Auch aus Tierexperimenten wissen wir, dass sich darunter die Bakterien deutlich verändern und die Ernährung mehr in Richtung einer mediterranen Ernährung umzustellen. Also mehr Olivenöl, mehr vielleicht auch Fischprodukte und weniger Milcheiweiß, weniger fette tierische Produkte.
[Nils Behrens] (22:16 - 22:43)
Es ist wirklich immer wieder interessant, ich habe jetzt schon deutlich über 300 Interviews geführt, und man sieht immer wieder, dass die mediterrane Diät ja doch tatsächlich einer der Schlüsselfaktoren für viele Sachen ist. Und vor allem in diesem Zusammenhang natürlich auch sie deswegen so bekannt ist, weil sie eben vor allem die Entzündungen im Körper runterbringt. Und auch das ist wieder ein Zusammenhang, den man immer wieder feststellt, dass egal ob es ums Alter geht oder um Krankheiten geht, Entzündungen sind eigentlich immer das, was wir nicht haben wollen.
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (22:43 - 23:04)
Also da kann ich nur sagen, wir hatten ein großes EU-Projekt und das hat sich alles um Altern gedreht. Und da kann man nur sagen, Aging is Inflamaging, also wir altern durch entzündliche Prozesse und wir altern eigentlich nur durch unsere Entzündungen.
[Nils Behrens] (23:07 - 23:16)
Ja, ein gutes Mittel, um Entzündungen nach unten zu bringen, ist ja auch immer das Fasten. Was würden Sie sagen, wie sinnvoll ist das Thema Fasten bei Parkinson?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (23:16 - 24:26)
Das ist sehr sinnvoll und wir haben da auch in der Elena-Klinik ein ganzes Projekt aufgestellt, Fasten bei Parkinson. Parkinson-Patienten können das, machen das auch gerne. Wir haben da sehr viel Interesse hervorgerufen.
Denn gerade das Fasten kann ja dann so einen entzündlichen Prozess einmal auch wirklich durchbrechen. Und hier ist auch zum Beispiel das Intervallfasten zu nennen. Das heißt, dass man immer mal wieder ein paar Tage richtig fastet, dass man aber auch zum Beispiel versucht, wenn man es schafft, 16 Stunden nichts zu essen.
Das ist vielleicht nicht für jeden Tag, aber das kann man vielleicht ein paar Mal die Woche schaffen. Das lässt diesen Prozess nochmal deutlich verbessern und ist sicher eine Möglichkeit. Wir kennen das aus der Rheumatherapie, das man aber so auch auf die innere Entzündung bei Parkinson übertragen kann.
[Nils Behrens] (24:27 - 25:10)
Sehr spannend. Es ist ja so, ich habe mal nachgeschaut, es gab ja auch mal den Versuch, Kreatin einzusetzen für das Thema Parkinson. Das hat auf die Motorik keine nennenswerten positiven Eigenschaften gehabt.
Jetzt ist es im Augenblick so, dass Kreatin sehr gute Eigenschaften scheinbar auf die kognitive Leistungsfähigkeit des Gehirns hat. Das heißt also, es wurde jetzt relativ kürzlich eine Studie veröffentlicht, die insbesondere das Thema Alzheimer bzw. Demenz einen positiven schützenden Effekt hat.
Ich habe nichts gefunden zum Thema Parkinson in dem Zusammenhang, aber könnten Sie sich vorstellen, dass da auch eine positive Wirkung zu erwarten sein könnte?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (25:11 - 27:21)
Das Problem ist so, es gibt so viele einzelne Substanzen, denen jeweils immer eine positive Wirkung zugesagt wurde. Dann Q10 zum Beispiel, Vitamin C. Dann gab es tatsächlich große Studien und die waren alle negativ.
Ich erinnere zum Beispiel an das NADH, sogar NADH-Infusionen. Diese Substanzen kommen nicht dahin, wo sie hinkommen sollen, an den eigentlichen Prozesswirkort. Wenn wir davon ausgehen, dass zum Beispiel diese Alpha-Synuklein-Aggregate letztendlich etwas Prozessauslösendes sind, dann ist die Frage, wie soll das Kreatin im Bereich dieser Aggregation wirken?
Dann müsste es ja dort eingreifen. Das andere ist, dass natürlich der Prozess auch im Gehirn, in der Substanzianigra weitergeht und in anderen Hirnregionen. Wir können auch nur über Substanzen reden, die dort wirklich eindringen und die dann dort in der Zelle an diesem Prozess aktiv mitwirken oder den vielleicht stoppen können.
Wenn man sich die Pathophysiologie des Parkinsons anschaut, das ist wirklich sehr kompliziert und sehr komplex und es ist sicher nicht nur ein Weg. Es gibt auch schon ganz viele Wege über genetische Formen des Parkinsons, über Parkinson bei Diabetes, wo wir sehen, dass es viele Stoffwechselwege gibt, die dann vielleicht in eine gemeinsame Endstrecke münden. Aber selbst die ist manchmal nicht gemeinsam.
In anderen genetischen Formen gibt es nicht mal eine erhöhte Synuklein-Aggregation. Insofern glaube ich, ist es zu einfach zu sagen, jetzt haben wir eine Substanz und die wird unser ganzes Problem lösen.
[Nils Behrens] (27:22 - 27:50)
Das glaube ich auch. Die wird es nicht so schnell geben. Aber nehmen wir jetzt mal zum Beispiel das Thema Magnesium-L-Threonat, das relativ neu auf dem Markt ist.
Das wurde dafür designt, die Blut-Hirn-Schranke gezielt zu überwinden und dann Magnesium ins Gehirn zu bringen. Da sieht man auch wieder erste Studienergebnisse, dass sich die Neuroplastizität des Gehirns dadurch verbessert. Ist Neuroplastizität etwas, was relevant ist im Zusammenhang mit Parkinson?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (27:50 - 28:51)
Ja, es ist auf alle Fälle relevant. Es ist vor allem relevant für Kognition, aber es ist auch für Motorik relevant. Letztendlich, die Theorien sind alle gut, aber wir müssen es nachweisen, dass es tatsächlich hilft.
Wir haben hervorragende Substanzen in letzter Zeit gehabt, die wirklich in großen, ganz frühen Parkinson-Studien getestet worden sind. Und dann trotzdem keinen Effekt gezeigt haben. Wo wir noch nicht mal die Erklärung wissen, warum es letztendlich keinen Effekt gezeigt hat.
Ich würde niemanden entmutigen, so etwas zu postulieren, aber wir brauchen einen Wirkmechanismus. Wir brauchen zuerst tierexperimentelle Studien und dann brauchen wir definitiv Studien an Parkinson-Patienten, bevor wir, sage ich immer, zu viel Hoffnung verbreiten.
[Nils Behrens] (28:53 - 29:01)
Das kann ich sehr gut verstehen. Wobei ich finde schon, dass Ihr Buch insgesamt eine gewisse Hoffnung verbreitet. Welche Rolle spielen denn Hormone bei dem ganzen Thema?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (29:02 - 29:07)
Ja, es kommt darauf an, welche Hormone Sie ansprechen. Stresshormone.
[Nils Behrens] (29:07 - 29:13)
Also ich fand das interessant. Ich glaube, ich habe gelesen, dass Frauen seltener eine tiefe Hirnstimulation bekommen.
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (29:14 - 30:20)
Das hat jetzt nun gar nichts mit den Hormonen zu tun. Das ist eines unserer Lieblingsthemen, denn eine tiefe Hirnstimulation ist eine sehr gute und effiziente Langzeittherapie für die Motorik, aber vielleicht auch für die Nicht-Motorik der Parkinson-Krankheit. Die Frauen werden seltener darüber aufgeklärt.
Die werden seltener versucht, davon zu überzeugen. Das ist einerseits ein ärztliches Problem, aber andererseits können sich die Frauen auch weniger dazu entschließen. Die sind weniger risikobereit als Männer und haben dann Sorge, dass sie keine OP am Gehirn haben wollen, was ja durchaus verständlich ist, aber ich glaube, wir müssen uns hier mehr Mühe geben, den Frauen genauso wie den Männern zu erklären, dass es wichtig für sie ist, dass sie eine langfristige, gute Beweglichkeit erhalten können.
[Nils Behrens] (30:22 - 31:12)
Okay, aber dann war meine Ableitung leider falsch, weil ich hatte mal irgendwann gehört, dass die Östrogene grundsätzlich eine gewisse Schutzfunktion fürs Gehirn haben. Von daher war natürlich meine Annahme, dass grundsätzlich Frauen ein besser geschütztes Gehirn haben. Jetzt sieht man aber auf der anderen Seite, zumindest bei der anderen großen Neugenerativerkrankung, bei der Demenz, dass da Frauen ja deutlich häufiger im Alter von betroffen sind, was vielleicht aber auch daran liegt, dass Östrogene grundsätzlich nicht mehr ausreichender Form nach der Menopause vorhanden sind.
Aber trotz allem, ich wiederhole meine Frage noch mal ohne die Hirnstimulation. Gibt es einen Zusammenhang, den Sie kennen zwischen Hormonen und dem Thema Krankheitsverlauf bei Parkinson?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (31:13 - 32:33)
Also es gibt wahrscheinlich einen Zusammenhang, denn es ist auf alle Fälle so, dass die Häufigkeit von Parkinson weltweit mehr bei Männern ist als bei Frauen. Ich würde mal sagen, es ist nicht ganz 60 zu 40, aber fast für mehr Männer als Frauen. Und das ist schon so, dass die Frauen da wahrscheinlich eher geschützt sind.
Es ist dann aber, wenn die Erkrankung startet, ist der Verlauf bei Männern und Frauen ziemlich identisch. Es ist dann sogar so, dass die Frauen mehr Wirkfluktuationen und mehr Überbewegungen haben. Aber das ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass wir die Frauen zu früh überdosieren, dass wir das nicht aufs Körpergewicht, die L-Dopa-Dosis berechnen.
Und da versuchen wir inzwischen aufzuklären und zu sagen, es muss bei einer, sage ich mal, leichtgewichtigen Patientin weniger L-Dopa gegeben werden, als bei einem eher übergewichtigen Mann. Und das hat sich noch nicht so ganz durchgesetzt. Und je höher die L-Dopa-Dosis am Anfang ist, desto schneller können Überbewegungen und Langzeitnebenwirkungen auftreten.
[Nils Behrens] (32:35 - 32:46)
Okay. Lass uns doch mal ein bisschen in die Zukunft schauen. Wie können denn in Zukunft so Variables oder Apps vielleicht helfen, den Parkinson besser zu steuern?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (32:46 - 34:20)
Also es gibt ja auch viele Apps schon für die Früherkennung, zum Beispiel Sprache. Da gibt es richtig gute Apps, die sagen, sie können die Sprechveränderungen eines Parkinson-Patienten schon ganz früh erfassen. Und ich glaube, die Zukunft der Früherkennung wird daran liegen, dass wir das alles kombinieren.
Also den Riechtest, die Schlafstörung, eine App für die Sprechfrüherkennung, für die Änderungen dort. Und vielleicht auch noch eine App, die die allgemeine Bewegung aufzeigt. Das haben wir ja jetzt schon mit ganz vielen Uhren und ähnlichen.
Wie viele Schritte macht man pro Tag? Wie schnell ist man? Also da lässt sich ja ganz viel ableiten.
Und ich merke auch, dass unsere Patienten sehr daran interessiert sind, ihr eigenes Bewegungsverhalten zu monitorieren. Und das ist auch gut so, weil dann können sie viel eher gegensteuern. Und zu sehen, ich habe mich heute viel zu wenig bewegt.
Ich muss noch was tun. Und das, glaube ich, ist auch die Zukunft, dass wir mehr darauf achten, mithilfe von verschiedenen Devices unsere Bewegung zu optimieren.
[Nils Behrens] (34:23 - 34:30)
Okay, sehr gut. Gibt es dann irgendwelche therapeutischen Innovationen, die Ihnen, ich sage es mal so, Hoffnung machen?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (34:32 - 34:57)
Also für die sogenannte symptomatische Therapie, das heißt die Behandlung der Parkinson-Symptome, über die müssen wir uns ja auch unterhalten, wenn der Parkinson schon da ist und nicht nur über die frühe Intervention. Da würde ich denken, dass die neuen Pumpentherapien wirklich innovativ sind.
[Nils Behrens] (34:59 - 35:00)
Das waren die Medikamentenpumpen?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (35:01 - 35:24)
Die Medikamentenpumpen, die eine gleichmäßigere Wirkung erreichen und damit viel mehr Lebensqualität geben. Den Patienten unabhängig von diesen ständigen Uhrzeiten und Medikamenteneinnahmen machen. Das Gleiche gilt für die tiefe Hirnstimulation, auch eine Weiterentwicklung der tiefen Hirnstimulation.
[Nils Behrens] (35:25 - 35:31)
Entschuldigen Sie, wenn ich da mal einhacke, wollen wir vielleicht einmal für unsere Hörer genau erklären, was wird da genau gemacht bei der tiefen Hirnstimulation?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (35:32 - 37:03)
Bei der tiefen Hirnstimulation werden zwei Elektroden durch zwei Bohrlöcher im Gehirn gesteckt und an ganz vorher festgelegten Punkten wird dann eine kontinuierliche elektrische Stimulation bewirkt, die an dem Platz sitzt, wo sonst eigentlich die Medikamente wirken. Das heißt, wir ersetzen einen Großteil der chemischen Medikamentenwirkung durch eine kontinuierliche elektrische Wirkung. Diese Elektroden werden unter der Haut mit einem Kabel verbunden, mit einem Schrittmacher, der in der Muskeltasche, im Brustmuskel sitzt, genauso wie bei einem Herzschrittmacher und der von außen gesteuert werden kann.
Das ist jetzt mal das ganz vereinfachte Prinzip. Diese Technik ist aber über die letzten 30 Jahre so optimiert worden, dass wir ganz feine Einstellungen von außen vornehmen können, rechts und links Seiten getrennt natürlich, und dass wir damit eigentlich eine sehr gute Beweglichkeit des Patienten erreichen können mit nur noch wenig zusätzlicher Dopaminmedikation.
[Nils Behrens] (37:05 - 37:07)
Wo sind denn diese beiden Bohrlöcher, an welcher Stelle?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (37:08 - 37:29)
Die beiden Bohrlöcher sind vorne im oberen, vorderen Bereich des Gehirns. Die sind aber sehr klein, da sind zwei sogenannte Bohrlochkappen drauf und meistens verschwinden sie natürlich unter der Haut und verschwinden unter dem Haaransatz.
[Nils Behrens] (37:30 - 37:35)
Wir haben ja auch ein Video, zumindest für die, die auf Spotify oder auf YouTube sind, können Sie vielleicht mal zeigen, wo es in etwa ist?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (37:38 - 38:11)
Ungefähr hier, hier vorne. Es kommt von dieser Richtung rein und geht dann in den vorderen Bereich des Gehirns. Der Vorteil ist, dass da, wo diese Elektroden, was ganz dünne Drähte sind, wo die durchgesteckt werden, da ist das Frontalhirn ganz groß und hat viele Reserven.
Da entsteht weder ein Schlaganfall noch sonstiges, wenn man da etwas durchschiebt.
[Nils Behrens] (38:13 - 38:20)
Für alle, die es jetzt nicht sehen konnten, das ist ein bisschen wie bei einem Schmetterlingskostüm, da wo die Fühler rauskommen würden, wenn man sich verkleidet.
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (38:20 - 39:08)
Das sind wirklich wie Schmetterlingsfühler, die dann unter der Haut, man kann es dann vielleicht fühlen, es ist so eine leichte Erhebung unter der Haut, aber das ist im Grunde das allerkleinste Problem. Das Entscheidende ist, dass man vorher mit der Kernspintomographie und der Computertomographie den Zielpunkt ganz genau festlegt. Da ist die Technik so viel besser geworden, dass wir inzwischen diese Operation in Narkose durchführen können.
Das finde ich den ganz entscheidenden Vorteil für Patient und Operateur. Früher musste man das am wachen Patienten machen, um den Zielpunkt wirklich nochmal in der Operation genau festzulegen. Das brauchen wir jetzt nicht mehr.
[Nils Behrens] (39:11 - 39:39)
Klingt auf jeden Fall deutlich angenehmer. Ich möchte zum Schluss nochmal auf die Angehörigen eingehen. Wie gesagt, ich habe das in der angeheirateten Familie direkt mitbekommen, was das für eine unglaubliche Herausforderung ist, gerade wenn man sich für eine häusliche Pflege entscheidet.
Was gibt es, was Sie den Angehörigen auf den Weg geben möchten, wenn man betroffen ist, sowohl im frühen als auch im späteren Stadium?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (39:40 - 42:13)
Ich glaube, es ist extrem schwierig für Angehörige zu akzeptieren, dass diese Verlangsamung, die oft einhergeht mit einem sozialen Rückzug, derjenige spricht vielleicht nicht mehr so viel, der ergreift nicht mehr so oft die Initiative, dass diese Veränderungen krankheitsbedingt sind und dass das nicht ein böser Wille des Patienten ist oder dass das nichts ist, was er ständig beeinflussen kann. Er kann es dann schon mal beeinflussen, aber es macht wenig Sinn, wenn die Angehörigen den Patienten sozusagen immer daran erinnern und ermahnen. Das ist wirklich sehr schwierig.
Ich habe das gesehen in ganz vielen Verhältnissen, bei Ehepaaren zum Beispiel, aber auch innerhalb der Familie zu sagen, jetzt geh doch ein bisschen schneller, schwing dein Arm ein bisschen mehr mit, schau mal, du gehst schon wieder ganz gebeugt. Das passiert automatisch so durch die Erkrankung. Da ist es natürlich gut, dann Übungen oder Gymnastik dagegen zu machen, aber man kann es nicht im täglichen Leben ständig aktiv kontrollieren und das ist im Frühstadium eines der Probleme.
Im weiter fortgeschrittenen Stadium ist oft das Problem, dass verschiedene Funktionen einfach nicht mehr möglich sind. Man kann nicht mehr Fahrrad fahren, weil das Gleichgewicht einfach zu sehr gestört ist, weil es zu gefährlich ist. Man kann keine langen Wanderungen mehr machen.
Es gibt ganz viele Einschränkungen, die so schrittweise kommen. Ein Teil kann durch die Medikamente aufgefangen werden, aber gerade diese Gleichgewichtsfunktionen können es nicht. Die Schlafstörungen sind auch ein Problem für die Familie, weil oft wirklich die Nachtruhe gestört ist und weil der Patient vielleicht Hilfe braucht in der Nacht, um aus dem Bett zu kommen, um auf die Toilette zu gehen.
Das sind so Punkte, die kann man dann jeweils punktuell verbessern, vielleicht auch lösen, aber sie treten im Laufe der Erkrankung nicht bei jedem Patienten. Aber beim einen tritt dieses auf, beim anderen tritt jenes auf.
[Nils Behrens] (42:16 - 42:21)
Was wünschen Sie sich, was die HörerInnen nach dieser Folge für sich mitnehmen oder auch für ihre Angehörigen mitnehmen?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (42:23 - 43:12)
Ich würde mir wünschen, dass die Parkinson-Krankheit in das Leben integriert wird, wenn sie vorhanden ist und dass so viel Aktivität wie möglich gemeinsam mit der Familie stattfindet. Keine Ausgrenzung, sondern wirklich ein aktives Miteinander und dass man vielleicht zu der Erkrankung steht. Es ist viel einfacher, wenn die Familie, teilweise auch die Freunde, wissen, es besteht eine Parkinson-Erkrankung, aber ich gehe aktiv damit um und manche Sachen gehen halt, manche gehen nicht so gut, aber man akzeptiert es.
Es ist sehr schwer, wenn einzelne Patienten das komplett verstecken möchten.
[Nils Behrens] (43:15 - 43:31)
Ich sage vielen Dank für das Gespräch. Ich möchte allen das Buch „Expertenwissen Parkinson“ empfehlen. Es ist erschienen im TRIAS Verlag und es ist sozusagen ein Kompass durch die wirklich komplexe Welt der Erkrankung mit einer großen Hilfe für die Betroffenen und für die Angehörigen.
Also vielen Dank.
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (43:31 - 43:32)
Ja, ich bedanke mich auch.
[Nils Behrens] (43:38 - 43:43)
Frau Prof. Trenkwalder, haben Sie eigentlich ein Supplement, was Sie regelmäßig nehmen oder ein Lieblingssupplement vielleicht sogar?
[Prof. Dr. Claudia Trenkwalder] (43:44 - 44:10)
Also ich nehme eigentlich nur Vitamin D. Das würde ich nicht nur den Parkinson-Patienten empfehlen, die sollten es auf alle Fälle tun, sondern eigentlich, ich würde mal sagen, jedem im Laufe des Alters, weil die Knochen kann man nicht so gut ersetzen und sollte man nicht ersetzen und die Osteoporose ist dringend zu vermeiden und es hat keine Nebenwirkungen.
[Nils Behrens] (44:10 - 44:36)
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