

Unverschämt weiblich: Selbstakzeptanz & Empowerment Constanze Baier im Interview
In einer Welt, die Frauen oft in starre Rollenbilder drängt, lädt Constanze Baier – Zyklus-Coach, Doula und Gründerin von Unverschämt Weiblich – dazu ein, die eigene Weiblichkeit nicht nur anzunehmen, sondern zu feiern.
Im Gespräch mit Elisabeth Seidel im Healthwise-Podcast von Sunday Natural teilt sie Erfahrungen und Impulse, wie Frauen Scham in Kraft verwandeln, zyklisch leben und eine tiefere Verbindung zu sich selbst herstellen können.
Die Bedeutung von "unverschämt weiblich"
Für Constanze Baier bedeutet „unverschämt weiblich“ zweierlei:
- Mut zur Selbstannahme – den eigenen Körper lieben, sich Raum nehmen.
- Scham hinterfragen – erkennen, wo alte Glaubenssätze und gesellschaftliche Erwartungen Frauen kleinhalten.
Sie beschreibt die Scham als ein stilles, oft unbemerktes Muster, das Frauen daran hindert, „zu viel“ oder „zu sichtbar“ zu sein. Der Weg zu mehr Selbstakzeptanz beginnt mit dem Bewusstwerden dieser Gefühle.
Zyklen verstehen
Das Leben als wiederkehrende Phasen sehen:
- Frühling: Kindheit & Jugend – Neubeginn, Lernen, Ausprobieren
- Sommer: junge Frau – Aktivität, Expansion
- Herbst: Reife – Ernten, Reflektieren
- Winter: Lebensabend – Weisheit teilen
Daneben gibt es den monatlichen Zyklus, der – bewusst gelebt – zu einem wertvollen Orientierungssystem werden kann. Wer die eigenen Energie- und Ruhephasen kennt, kann Ernährung, Bewegung und Arbeit besser darauf abstimmen.
Scham transformieren – vom Tabu zur Ressource
Scham kann lähmen, aber auch als Signal dienen, genauer hinzusehen.
- Gesunde Scham: natürliche Grenze, z. B. in der Intimsphäre.
- Toxische Scham: einschränkende Muster, oft durch Sozialisation verstärkt.
Erster Schritt: wahrnehmen, wo sich Scham im Körper zeigt, etwa als Enge im Hals (Kloß im Hals) oder flacher Atem – und innehalten, statt sie zu verdrängen.
Mehr erfahren im healthwise Podcast von sunday natural
Rituale als Brücke zu Selbstvertrauen
In vielen Kulturen werden Übergänge – wie der Eintritt in die Menarche – feierlich markiert.
Ein Beispiel: In Japan feiern Mädchen das „Fest der weißen Blumen“.
Constanze plädiert dafür, auch hier eigene, positive Rituale zu entwickeln, um weibliche Meilensteine wertschätzend zu würdigen.
Dies kann so einfach sein wie ein Geschenk mit symbolischem Wert, das an den Übergang erinnert.
Zyklusorientiertes Leben im Alltag
Constanze empfiehlt, den eigenen Rhythmus bewusst zu gestalten:
- Wichtige Termine in „Sommerphasen“ legen (hohe Energie).
- Rückzug und Reflexion in „Winterphasen“ zulassen.
- Trainings- und Ernährungsgewohnheiten flexibel anpassen.
Wichtig: Nicht in Selbstoptimierung verfallen, sondern den individuellen Körperbedürfnissen folgen.
Sexualität als Lebensenergie
Sexualität ist für Baier mehr als der körperliche Akt – sie ist eine Form von Lebenslust und kreativer Energie.
Tipps für mehr Verbindung zur eigenen Sexualität:
- Langsamer werden, Zielorientierung loslassen.
- Selbstberührung ohne Erwartungsdruck üben.
- Sinne einbeziehen: Düfte, Musik, Berührung.
- Spiegelarbeit: den eigenen Körper bewusst betrachten.
Männer als Teil des Wandels
Zunehmend interessieren sich auch Männer für Zyklus- und Weiblichkeitsthemen – ob aus Partnerschaftsinteresse oder im beruflichen Kontext.
Constanze erlebt, dass Wissen Brücken baut: Wenn Männer verstehen, wie der weibliche Körper funktioniert, kann dies Beziehungen vertiefen und Missverständnisse abbauen.
Take Aways
- Weiblichkeit ist keine feste Rolle, sondern eine lebendige Bewegung.
- Zyklusbewusstsein hilft, Energie- und Ruhephasen optimal zu nutzen.
- Scham kann als Wegweiser zur Selbstreflexion dienen.
- Rituale stärken Übergänge und fördern Selbstvertrauen.
- Sexualität ist auch eine Form von Lebensenergie – unabhängig vom Geschlechtsverkehr.
- Männer profitieren vom Wissen über weibliche Zyklen – für mehr Verständnis und Verbindung.
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Constanze Baier ist Mentorin, Speakerin und Autorin des Zyklus-Journals unverschämt.weiblich. Mit Retreats, Workshops und 1:1-Mentoring ermutigt sie Frauen, ihre zyklische Natur neu zu entdecken, Scham loszulassen und die eigene Weiblichkeit kraftvoll zu leben. Ihr Ansatz verbindet Körper, Geist und Seele und schafft Räume für mehr Selbstbewusstsein und Entfaltung.
[Constanze Baier] (0:00 - 0:22)
Wer wären wir Frauen, wenn wir diesen Übergang auf so eine würdigende Art und Weise eben begehen würden und nicht auf so eine schambesetzte Weise, so ungefähr hier sind die Tampons, hier hast du die Binden, so unter den Tisch, mach nur nicht so ein Aufheben, erzähl es keinem, geht schon irgendwie so.
[Elisabeth Seidel] (0:23 - 1:42)
Herzlich willkommen zu Healthwise, dem Gesundheitspodcast präsentiert von Sunday Natural. Ich bin Elisabeth Seidel und in diesem Podcast erkunden wir gemeinsam, was es bedeutet, gesund zu sein. Wir tauchen ein in Themen wie Medizin, Bewegung, Ernährung und emotionale Gesundheit, immer mit einem weisen Blick auf das, was uns wirklich gut tut.
Willkommen zu einer neuen Folge Healthwise, heute mit einer Frau, die Weiblichkeit nicht nur lebt, sondern zelebriert. Sie war über zwei Jahrzehnte lang in Führungspositionen internationaler Konzerne tätig, bei Marken wie Samsung und Dyson. Heute begleitet sie Frauen als Zyklus-Coach, Doula, Mentorin und ist die Gründerin von Unverschämt Weiblich.
Ihr Herz schlägt für eine Rückverbindung mit der inneren Stimme, dem Körperwissen und der radikalen Erlaubnis, als Frau alles sein zu dürfen. Weich und wild, sinnlich und kraftvoll und verletzlich und stark. In ihren Retreats, Coachings und Workshops legt sie Frauen ein, die Charme abzulegen, ihre zyklische Natur zu ehren und ihre eigene Lust am Leben und an sich selbst wiederzuentdecken.
Heute sprechen wir über Zyklusbewusstsein, die Rückkehr zur weiblichen Intuition, über die Kraft der Scham-Transformation und darüber, warum Weiblichkeit kein Zustand, sondern eine Bewegung ist. Ich freue mich sehr, herzlich willkommen, Constanze Bayer.
[Constanze Baier] (1:42 - 1:46)
Ja, vielen, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich auch sehr, hier zu sein.
[Elisabeth Seidel] (1:47 - 1:54)
Wir fangen immer eigentlich den Podcast hier an oder wir fangen den Podcast an, indem wir einfach mal fragen, wie sieht dein perfekter Sonntag aus?
[Constanze Baier] (1:55 - 2:44)
Mein perfekter Sonntag, ja, das kann ich sagen. Ich liebe das Soho-Haus, ich bin Soho-Haus-Member und ich liebe es aufzustehen, wenn die Stadt noch schläft, so gegen sechs, halb sieben und vor allem im Sommer. Und dann gehe ich entweder mit dem Fahrrad oder ich laufe in Stille, wenn die Stadt noch so schlafend ist, ins Soho-Haus und schwimme da eine Runde, weil das finde ich den absoluten Genuss auf der Dachterrasse.
Über den Dächern der Stadt, frecherweise meine Bahnen zu ziehen, wenn der Morgen noch so einfach still ist, ja.
Das ist auch toll, ja, dann bin ich immer sehr dankbar und egal, ob ich das im Winter mache oder eben so im Herbst oder im Sommer, es hat alles seine Qualität.
[Elisabeth Seidel] (2:45 - 3:15)
Ja, es passt ja auch so ein bisschen zu unserem Thema, das Wasser, die Weiblichkeit, wer es nicht weiß, es wird so ein bisschen miteinander assoziiert, das Element. Da komme ich auch gerne schon zu meiner ersten Frage. Du bist Gründerin von Unverschämt weiblich.
Dein Buch, was wir hier liegen haben, nennt sich Unverschämt weiblich. Was bedeutet es denn für dich, unverschämt weiblich zu sein und wie kamst du auf den Begriff? Was bedeutet der Begriff?
[Constanze Baier] (3:17 - 4:05)
Als allererstes, der Begriff bedeutet für mich auf der einen Seite diese Frechheit zu mir selbst zu stehen, meinen Körper, mich zu lieben und auf der anderen Seite ist das Wort ja Scham drinnen und das ist im Grunde genommen das Spannungsfeld, in dem ich mich selbst bewegt habe und in dem ich immer wieder sehe, wo sich meine Kundinnen auch bewegen. Auf der einen Seite dieser Wunsch, ich selbst sein zu können und auf der anderen Seite die Scham im Nacken, die sagt, sei mal nicht zu viel, sei nicht zu laut, sei nicht zu leise, sei nicht irgendwas, du bist nicht richtig, so wie du bist und genau, das bedeutet es für mich. Also diese Einladung, sich selbst auszudrücken und zu schauen, wo halte ich mich eigentlich, wo halte ich mich immer noch zurück.
[Elisabeth Seidel] (4:08 - 4:41)
Du hast schon super viele Sachen jetzt gesagt, auf die ich gerne eingehen würde. Die Scham, man selbst zu sein, die ja auch irgendwie vielen Frauen über Generationen mitgegeben wurde, ich weiß nicht über die Gene, aber auch irgendwie, wie wir groß wurden, wie unsere Mütter, unsere Großmütter groß wurden. Was die für ein Verständnis hatten von Weiblichkeit oder Frau sein zu dürfen, wie hat sich denn dein Verständnis von Weiblichkeit verändert über die Zeitspanne deines Lebens bisher?
[Constanze Baier] (4:41 - 6:53)
Ich denke ja immer gerne in Zyklen. Als erstes würde ich sagen, ich war ein wildes Mädchen und dann ist die Frage, wie bin ich eigentlich ins Frau sein gekommen und das ist mein Buch angesprochen, darüber spreche ich ja auch, wie ich so meine ersten Tage bekommen habe und wie ich erst viel später gesehen habe, wie schambehafter das für mich ist und war und dann habe ich studiert und habe gedacht, ich lebe meine Weiblichkeit und ich bin da ganz gut angekommen und ich würde sagen, ich habe so alle Boxen gecheckt, die man so haben oder die erstrebenswert sind und erst so mit vielleicht 38, 2012, ungefähr so vor 13 Jahren ungefähr, habe ich angefangen, mich so auf so eine eigene Persönlichkeitsreise zu begeben und da habe ich festgestellt, warte mal, lebe ich wirklich alles, was Weiblichkeit ausmacht und wie ist eigentlich mein Bild dazu und auf dieser Reise habe ich festgestellt, als allererstes hatte ich mal nicht wirklich ein Bild, was nur äußerlich geprägt, also ich hatte ein Bild, aber das ist hauptsächlich äußerlich geprägt gewesen und hatte das was mit meinem Inneren zu tun, nicht wirklich.
Und in dem, wo ich mich eben auf diese Reise begeben habe, mich selbst zu entdecken, habe ich gemerkt, oh wow, da gibt es ein ganzes Universum, wer ich als Frau bin und da drin habe ich einfach gesehen, es gibt ganz viele, was ich nicht über meinen Körper weiß, es gibt ganz viele drinnen, das mir keiner gesagt hat und es gibt ganz viele drinnen einfach zu entdecken und darüber bin ich eben mehr zu mir selber gekommen, mehr in mir angekommen, so würde ich das sagen und habe einfach den Körper, meinen Körper gelernt zu schätzen und Neues daran zu entdecken.
[Elisabeth Seidel] (6:54 - 7:29)
Und du sprachst ja gerade eben schon von Zyklen. Ich erlebe das auch oft in der Praxis, dass sich Frauen gar nicht so richtig bewusst sind, welche Zyklen sie durchleben, also bei mir geht es natürlich zum einen um unseren Mondzyklus, heißt die 28, 30 Tage, aber es geht natürlich auch darum, Frauen kommen in ihre Menopause, Frauen sind premenopausal, möchtest du vielleicht mal kurz was dazu sagen, welche Zyklen im Leben einer Frau denn da so sind und was die ausmacht?
[Constanze Baier] (7:31 - 9:46)
Ja, wie du schon richtig gesagt hast, die 28 Tage, das ist auf der Monatsebene, durch die wir Frauen das immer wieder durchlaufen und da ist die Frage, ist es mein blutender Zyklus? Erkenne ich am Bluten, dass das mein Zyklus ist oder auf der anderen Seite glaube ich, wie du schon richtig gesagt hast, ist der Mond, der eine bestimmte Wirkung auf uns hat, hängt das immer mit dem Bluten zusammen? Man weiß es nicht.
Auf alle Fälle kann man sagen, ich betrachte es, dass wir erst einmal durch den Lebenszyklus gehen und der Lebenszyklus hat für mich eben den Frühling, wo wir das Mädchen, das junge Mädchen sind und es ist total egal, ob wir Mädchen oder Junge sind, sondern wo wir eben heranwachsen, das ist der Frühling.
Der Sommer steht eher dafür, ich werde von dem Mädchen zur Schwester hin zur jungen Frau und dann im Herbst kommen wir eher, meistens nach einer Phase, wo wir entweder Kinder geboren haben oder eben auch Karriere gemacht haben, da kommen wir sozusagen in die Ernte des Lebens und dann der letzte Teil ist der Winter des Lebens und da ist eher, dass die weise Frau eben in ihrer Weisheit mit der Community teilt, was sie für Wissen über die Jahre eben gesammelt hat.
Das ist für mich das Lebensrad und wenn wir vom Lebensrad in die kleineren Zyklen gehen, ich glaube, es gibt einen Karrierezyklus. Wenn ich das schaue, meine Sales-Karriere, die ich hatte, die hat irgendwann angefangen, da bin ich im Frühling gewesen nach meinem Studium und dann habe ich die Spitze erreicht und dann war es auch Zeit, das zu verabschieden und wieder loszulassen, dafür steht der Winter wiederum für mich und ich glaube, wir leben einfach in total vielen Zyklen und ich finde faszinierend, dass Frauen einfach jeden Monat durch diese Phasen gehen und ich denke, was für ein Geschenk und ich höre aber von ganz vielen anderen, was für eine Last der weibliche Zyklus ist.
[Elisabeth Seidel] (9:48 - 10:05)
Warum könnte das denn oder warum, denkst du, empfinden Frauen das als Last? Vielleicht, weil sie Symptomatiken haben, aber vielleicht, weil sie auch nicht im Einklang leben oder sich das nicht erlauben. Woran liegt das?
Was denkst du oder was ist deine Erfahrung auch mit deinen Klientinnen?
[Constanze Baier] (10:06 - 12:14)
Na, du hast vorhin gesagt, wie sind wir einfach eben gesellschaftlich dahin gekommen. Als allererstes glaube ich einfach, dass wir immer noch die Auswirkungen irgendwie von vielen Jahrzehnten, wenn nicht sogar Jahrhunderten eben oder den letzten Jahrhunderten sehen, dass Frauen in ihrer Kraft als die Heilerin unterdrückt worden sind. Das schreibe ich auch in dem Buch.
Es gab ja eben die Hexenverbrennung, wo diese weise Frau, die oft im Wald war, gejagt worden ist. Kann man sagen, wirkt das immer noch. Ich glaube, irgendwie auf eine Art und Weise, wenn man eben darüber spricht, transgenerationales Trauma, dass das von Generation an Generation weitergegeben wird.
An der Stelle spricht man auch über sieben Generationen, wo das weitergegeben wird. Und da drinnen ist, glaube ich, einfach passiert, dass die Kraft von Frauen unterdrückt. Weiß ich auch nicht, es klingt immer so, aber Frauen haben einfach, das durfte nicht mehr gelebt werden.
Heute Morgen hatte ich interessanterweise eine WhatsApp-Sprachnachricht. Und da hatte ich so einen Moment, wo ich gedacht habe, irgendwann ist es bestimmt aus einem Schutz passiert, dass man nicht mehr darüber gesprochen hat. Ein Schutz von der Mutter auf die Tochter, die gesagt hat, okay, die Umstände, wie wir leben, ich möchte dich eher schützen und von daher geben wir den Teil zur Seite.
Und aber irgendwann ist es eben zur Seite geblieben. Es ist ein Tabu daraus entstanden, ein Stigma daraus entstanden und gesellschaftlich wurde einfach nicht mehr darüber gesprochen. Und das haben wir gerade noch.
Jetzt ist es wieder so, dass wir in eine Bewegung gehen, wo dieses Stigma, wo das Tabu neu aufgebrochen wird. Man sieht es ja, dass ganz oft jetzt eben über Zyklen, über Menopause gesprochen wird. Und ich glaube, wir befinden uns gerade einfach in so einer Phase, wo das wieder zurück in unsere Gesellschaft kommt.
[Elisabeth Seidel] (12:16 - 12:35)
Ein ganz wichtiges Stichwort, was das angeht, was dieses Thema angeht, hast du ja vorhin schon genannt, ist die Scham. Und wie äußert sich die Scham und wie kann man das transformieren vielleicht? Oder wie hilfst du deinen Klienten, das zu transformieren?
[Constanze Baier] (12:36 - 14:41)
Das Erste ist für mich überhaupt, dass man wahrnimmt, jetzt gibt es hier ein Gefühl in mir, was sich nicht schön anfühlt oder was sich unangenehm anfühlt. Man sagt ja auch von Schamesröte, in mir steigt die Schamesröte hoch. Und es startet im Grunde genommen damit, dass ich merke, hier ist etwas in meinem Körper, was es irgendwie gerade mir unangenehm macht.
Viele sprechen davon, dass sie entweder hier im Hals ein Kloß haben oder eben im Bauch gibt es was, da liegt mein Kloß im Hals oder hier wird es eng. Und da ist für mich das Erste, dass wir das überhaupt erstmal wahrnehmen. Weil im Alltag ist es so, dass wir oft im Kopf sind und uns die Verbindung zu unserem Körper fehlt.
Und da ist der erste Schritt für mich zu sehen, lass mal in den Körper kommen. Wird mein Atem womöglich aus der Scham weniger? Habe ich irgendwo ein Kloß?
Wird es womöglich eng? Und da einfach kurz innezuhalten und das wahrzunehmen. Hier sitzt gerade die Scham.
Und von dort aus kann man weitergehen, weil für mich gibt es eben zwei Arten von Scham. Einmal eine toxische Scham und eine gesunde Scham. Wir können das ganz gut an Kindern sehen.
Kinder bis fünf Jahre sind eher schamlos. Die sind so frei mit ihrem Körper, die sind so ausdrucksstark und irgendwann entwickeln sie eine natürliche Scham. Die heißt, die wollen dann im Bad alleine sein oder die wollen nicht mehr zum FKK gehen.
Und ich glaube, gesellschaftlich ist es so, dass wir diese Scham nicht wirklich sehr beachtet haben. Hab dich doch nicht so. Oder es wurde so drüber hinweggegangen.
Und da, glaube ich, gilt es einfach später, ein neues Schamgefühl zu entwickeln. Und das mache ich mit den Klienten oder mit den Frauen, mit denen ich arbeite, in einem Prozess.
[Elisabeth Seidel] (14:42 - 15:46)
Ist es dann so, dass die, du meinst gerade die natürliche Scham, und die entwickelt sich dann quasi in so eine Art von toxischer Scham. Ja, so meintest du das. Ja, genau.
Ja, du sprachst ja auch von der Scham, zu viel zu sein, was die Frau angeht. Irgendwie zu passen in irgendeine Schublade am Besten. Irgendwie eine Mutter zu sein, war es vielleicht früher, jetzt dürfen wir, dürfen wir, Karriere machen.
Trotzdem sind dann Frauen, die Karriere machen, werden dann auch irgendwie angegriffen, weil sie keine guten Mütter sind und so weiter. Es gibt ja total viele Schubladen, in die Frauen gepackt werden, total viele Ansprüche, die sie zu erfüllen haben. Ist das was, was häufig bei Frauen, die zu dir kommen, der Fall ist?
Dass sie auch das Gefühl haben, nicht genug zu sein und zuletzt sich vielleicht schämen für das, was sie sind, einfach weil, weil die, ja die Latte so hoch gelegt ist an Dingen, denen sie entsprechen wollen.
[Constanze Baier] (15:47 - 17:00)
Ja, also sie kommen auf alle Fälle mit Herausforderungen, ob sie das immer als Scham bezeichnen würden, das nicht. Ich glaube, Scham ist so subtil in uns, dass uns das oft gar nicht auffällt. Ich habe auch schon öfters erlebt, dass die Leute sagen, ja Scham habe ich nicht.
Und ich glaube einfach, jeder hat eine gewisse Scham, aber ist es uns wirklich bewusst, dass es so ist. Ich weiß, die Frauen kommen eher mit mir, zu mir mit Herausforderungen. Und das andere ist, sie merken, dass irgendwas nicht richtig ist oder sie noch nicht komplett da sind.
Ja, und es auch teilweise noch gar nicht benennen können, was ihnen eigentlich fehlt. Und so war das tatsächlich auch bei mir. Ich konnte gar nicht sagen, was mir fehlt.
Ich hatte eher das Gefühl, so wie es ist, möchte ich es nicht mehr haben. Aber die Kundinnen, mit denen ich arbeite, die sagen dann ganz oft, du hast uns durch eine Tür geführt, da wussten wir nicht, dass eine Tür da ist. Und damit eröffnet sich so ein neues Universum irgendwie.
Ach, das darf ich. Ja, so würde ich es eher bezeichnen.
[Elisabeth Seidel] (17:01 - 17:44)
Du beschreibst ja in deinem Buch auch verschiedene Rituale. Wie wichtig sind Rituale und Zyklen, weiß ich ja schon, sind sehr wichtig in deiner Arbeit. Aber zu diesen Zyklen gehören ja auch gewisse Rituale.
Zum einen in deiner Arbeit, da möchte ich gerne später noch drauf kommen. Aber du beschreibst verschiedene Naturvölker und Kulturen und wie dieses Wissen um die Zyklen da gelebt wird. Wie wurde das, also wie wird das da gelebt?
Und wir hatten ja schon darüber gesprochen, wie das wahrscheinlich bei uns in der Vergessenheit geraten ist oder warum. Kannst du dazu noch was erzählen?
[Constanze Baier] (17:44 - 20:39)
Total gerne. Ich glaube, als allererstes ist es so, dass Rituale geben uns Halt und die geben uns Orientierung. Und was ich einfach, warum ich das auch in das Buch geschrieben habe, ist, Rituale ermöglichen uns auch Übergänge zu meistern.
Und die Rituale, die ich beschrieben habe, ich glaube, dass im Leben einer Frau gibt es mehrere Übergänge. Und somit geht ein kleiner Zyklus für mich zu Ende, der Zyklus des Mädchenseins. Und da ist der Übergang eben zur Frau zu werden.
Und da fand ich einfach immer sehr bemerkenswert, wie andere Völker diesen Übergang begangen haben oder eben, wie sie ihn gewürdigt haben, wie das Mädchen zur Frau wird. Und da gibt es einfach ganz unterschiedliche Rituale. In Japan wird es so gemacht, das ist das Fest der weißen Blumen.
Und die Mädchen bekommen eben weiße Blumen von ihren Eltern und es wird ein Fest daraus gemacht. Und alleine eben, dass dieser Übergang gefeiert wird, das finde ich einfach total schön. Und für mich ist es eine Einladung, zu schauen, wie möchten wir denn das jetzt in unsere Kultur übertragen.
Und ich habe eine Freundin, von der erzähle ich immer sehr, sehr gerne. Als ich ihr gesagt habe, dass ich dieses Buch schreibe und sie ist selber Mutter von drei Töchtern, hat sie mir ihren Ring an der Hand gezeigt und hat gesagt, schau mal, den Ring habe ich von meiner Mutter bekommen, als ich meine Periode bekommen habe. Und dann habe ich gedacht, wow, also sie ist 40 Jahre alt, sie hat zwei Töchter und hat einen total schönen Umgang damit.
Und alleine die Erinnerung, also ich glaube einfach, es macht was mit ihr, diesen Ring an der Hand zu tragen und erinnert zu werden, immer bewusst oder unbewusst, das ist als ich eben in das Frausein eingetreten bin. Und das finde ich einfach so ein starkes Bild und es hat mich noch sehr lange beschäftigt, sodass ich mich gefragt habe, wer wären wir Frauen, wenn wir diesen Übergang auf so eine würdigende Art und Weise eben begehen würden und nicht auf so eine schambesetzte Weise. So ungefähr hier sind die Tampons, hier hast du die Binden, so unter den Tisch, mach nur nicht so aufheben, erzählst keinem, geht schon irgendwie so.
Schmerz ist normal, zum Sportunterricht gehst du, auch wenn du Bauchschmerzen hast. Und für mich ist das so ein anderes in das Frausein eintreten und das finde ich einfach ganz schön.
[Elisabeth Seidel] (20:40 - 21:53)
Das ist ein schönes Ritual, was du beschreibst und auch die Geschichte mit dem Ring finde ich super. Eine tolle Geste und das führt mich auch zu unserer nächsten Frage, nämlich wie kann so ein zyklusbasiertes oder zyklusorientiertes Leben im Alltag denn aussehen?
Was total gut ist, dass dieses Wissen um den monatlichen Zyklus natürlich immer präsenter wird und Frauen anfangen nicht mehr irgendwie heftige Workouts zu machen, wenn sie ihre Tage haben, ihre Periode oder dass man wirklich seine Workouts, seine Ernährung so ein bisschen anpasst an den Zyklus, was ja schon eine unglaubliche Kraft hat. Bei dir ist es ja natürlich noch mal ein bisschen anders. Du betrachtest auch diesen monatlichen Zyklus, aber auch den Zyklus eines Lebens.
Deswegen ist es interessant, wie sieht man so was im Alltag und wie merkst du vielleicht auch an deinen Klientinnen Veränderungen, wenn sie mit ihrem Zyklus oder in ihrer Power sind oder in ihrer Power gelangen.
[Constanze Baier] (21:55 - 26:08)
Ich glaube als erstes, ich glaube da drin durchlaufen wir einfach als Gesellschaft mehrere Phasen und mehrere Zyklen. Weil die erste Phase ist für mich da drin oder der erste Zyklus ist sich gewahr werden oder eben ein Bewusstsein dafür haben, darüber zu sprechen. Und wenn wir merken, okay das ist notwendig, dass wir darüber sprechen, dann holen wir uns neue Informationen.
Und dann kommt für mich der nächste Schritt, es in meinen Alltag zu etablieren und mit reinzunehmen, es konstant irgendwie nebenher laufen zu lassen. Und das kann dann auf ganz unterschiedliche Art und Weise eben geschehen. Ganz schön finde ich, dass ich Frauen habe, die immer wieder zu meinem Zyklus-Workshop kommen, weil sie einfach merken, da gibt es immer noch mal eine neue, noch mal etwas Neues zu entdecken.
Das ist wie so eine Zwiebelschale, die man halt eben schält. Und unsere ganze Natur, unser ganzes Leben läuft ja in Zyklen. Ein Tag ist ein Zyklus, das hat ein Ende und ein Anfang.
Eine Woche ist ein Zyklus, ein Monat ist ein Zyklus. Und da stelle ich mir die Frage, wie können wir das eben mit reinnehmen. Und das ist auch im Grunde genommen meine Empfehlung dann oder meine Einladung da eben zu schauen.
Ich schaue zum Beispiel, okay, eine Woche ist ein Zyklus, also ist für mich der Montag und der Dienstag, das ist für mich der Frühling, da fängt etwas Neues an. Ich bin frisch. Der Mittwoch ist so der Sommer für mich, also gucke ich eben, was kann ich machen.
Im Sommer bin ich ja sehr outgoing. Ich mag mich, ich bin mutig, ich mag, wer ich bin. Und Dienstag, Donnerstag, Freitag ist so für mich Herbst, alles in eine Ordnung bringen.
Und Wochenende ist für mich die Phase des Winters und dient dazu, eben ruhiger zu werden. Und die Frage ist, wo fange ich an? Und ich glaube, das macht jeder irgendwie auch individuell.
Der eine fängt beim Sport an, der andere fängt bei der Ernährung an. Für mich ist es eine Art, wie ich den Tag gestalte. Wie ich mir auch immer innerhalb des Monats gucke ich, dass ich zwei oder drei Tage nicht arbeite oder nur sehr wenig arbeite.
Ich habe eben die Tage in meinem Kalender eingetragen und da schaue ich, wenn möglich, dass ich keine großen Termine mache, sondern eher die Zeit zur Innenschau nutze. Und genau so nutze ich das und so versuche ich das auch den Frauen, die mit mir arbeiten, näher zu bringen, weil ich schaue ja eher sehr auf der Körperebene und auf der Ebene, was brauche ich denn, was sind meine Bedürfnisse. Was glaube ich oft wieder passiert ist oder was passiert mit dem, dass es überhaupt wieder an die Oberfläche kommt. Hier habe ich noch ein Optimierungsangebot und hier ist noch eine Optimierung und hier ist noch eine Optimierung.
Für mich geht es eher darum, erstmal kurz innezuhalten und zu gucken, was brauche ich denn, wenn mal alles im Außen still ist. Was ist denn das, was ich wirklich jetzt brauche, stimmt das für mich, dass ich eben dann den Sport nicht mache. Da gibt es auf alle Fälle eine wissenschaftliche Erklärung dazu, das ist total gut, aber was ist es, was diesen Monat an dieser Stelle mein Körper braucht, weil sonst bin ich schon wieder im nächsten Konzept, ohne inne gehalten zu haben.
Und meine Arbeit und mein Programm heißt ja Coming Home to Your Feminine Nature. Komm nach Hause, check bei dir selber ein und dann kannst du noch mal nach außen gucken, welcher der Angebote ist das richtige Angebot für dich.
[Elisabeth Seidel] (26:10 - 27:28)
Also was du gerade gesagt hast, finde ich unglaublich wertvoll. Auch für mich als Frau, selbstständige Frau. Ich merke total oft, dass ich natürlich auch irgendwie in einem System arbeite, was ja eigentlich mal von Männern erschaffen wurde. Diese 40 Stunden, manchmal mehr, wofür man gar nicht ausgerichtet ist oder sich dann halt teilweise erschöpft fühlt und dann auf sich selbst zu hören und keine Scham zu empfinden oder sich erlauben, mal nichts zu tun und wirklich auf sich zu hören, unabhängig davon, was man jetzt tun sollte, weil man macht sich ja auch total viel Stress.
Du musst aber jetzt noch ein Workout machen und eigentlich ist das nicht so gesund zu essen, obwohl du jetzt eigentlich total Bock drauf hättest. Ja, vielen, vielen Dank dafür. Ich glaube, da kann ich allein schon in meinem Umkreis oder auch vielleicht unter meinen Patientinnen so einige Frauen, die ja vielleicht profitieren können, nicht so verkopft zu sein, sondern ein bisschen mehr ins Gefühl zu kommen, was uns eigentlich gut tut.
[Constanze Baier] (27:29 - 28:17)
Das ist mir ein großes Anliegen, also nicht direkt wieder ins nächste Konzept zu gehen und was wir einfach eben gesellschaftlich sehen, gerade ist so Selbstoptimierung. Und da ist die Frage, wo ist denn das eigentlich eine Sucht? Auch wieder die Sucht zu gefallen und ausgelöst von, ich bin nicht gut genug.
Und ich bin total jemand, der sagt, es ist wichtig, dass wir an uns arbeiten. Und die Frage ist aber trotzdem immer noch mal wieder, was ist denn der Antrieb gerade dahinter? Ja, und da setzt im Grunde genommen meine Arbeit an, die sagt, okay, lass mal gucken, was ist denn das eigentlich, was dahintersteht?
[Elisabeth Seidel] (28:17 - 28:36)
Ja, was erwartet denn Teilnehmerinnen, die jetzt quasi an einem Retreat oder an deinen Workshops teilnehmen? Die kommen ja mit, also es sind ja dann mehrere Frauen in einem Setting und wie schaffst du den Raum, dass sie sich sicher fühlen können, dass sie auch vielleicht ihre Verletzlichkeit zeigen können?
[Constanze Baier] (28:40 - 30:33)
Als allererstes, glaube ich, ist, also je nachdem, was ich mache, also ich habe einen monatlichen, also ich habe einen Zyklus-Workshop, das ist ein kleines Format, da kann man leicht dazu kommen, es sind so drei Stunden, da kann man sich rantasten, würde ich mal sagen. Und da bekommt man so eine Idee. Und es ist einfach ganz schön oder das Besondere daran ist, dass wenn wir Frauen zusammenkommen und uns in der anderen wiedererkennen, dann stellen wir einfach fest, ich bin doch nicht so anders.
Was ich da drin immer ganz schön finde, wenn eine etwas erzählt, dann merkt die andere, ah, das habe ich auch. Und da drüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, das ist das andere. Und da drinnen erkennen wir uns wieder und ich versuche einfach auch eine Langsamkeit da rein zu bringen durch Fragen.
Ich stelle viele Fragen und ja, schaue, dass ich auch einen guten Rahmen eben, der Kreis ist so eins. Das eine ist das Eröffnen, einen sicheren Rahmen zu geben und dann aber den auch wieder gut zu schließen. Das versuche ich.
Dann bei meinen Retreats bin ich gerne in der Natur, weil ich finde, alleine in der Natur zu sein bringt erstmal auch unser Nervensystem nach unten, erzeugt eine gewisse Sicherheit, eine gewisse Ruhe. Ich versuche auf alle Fälle Breathwork mit reinzunehmen und auch das Spüren. Und was ich immer sage, es ist in Ordnung, nichts zu fühlen.
Ja, und dass man da gar nichts verkehrt machen kann. Ja, dazu lade ich auch ein, weil es ist immer nur eine Momentaufnahme. Es ist immer nur jetzt und wieder jetzt und wieder jetzt.
[Elisabeth Seidel] (30:34 - 30:56)
Das finde ich spannend, dass du gesagt hast, es ist okay, nichts zu fühlen. Ist es in Bezug auf, ich bin irgendwie auf eine Art und Weise taub oder habe keine Connection zu meinen Emotionen oder ist es halt einfach teilweise so, dass Leute sehr wenig Emotionen empfinden?
[Constanze Baier] (31:00 - 32:17)
Ich glaube, Frauen, Männer fühlen. Aber ich glaube, wir haben verlernt darauf zu vertrauen, dass das ein Gefühl ist. Ja, das ist das Erste und natürlich gibt es Momente, wo je nachdem, was berührt wird, wo man nichts fühlen möchte. Und wirklich dem keine Bedeutung zu geben, weil das unterliegende Gefühl ist, das ist nicht wichtig oder das ist nicht wichtig.
Und von daher arbeite ich viel mit Körpersensations, einfach meinen Körper zu fühlen oder wenn sie das nicht benennen können, ich schaue immer den Körper an und gucke nach den äußerlichen Körperreaktionen und dann gebe ich eine Einladung, was ich von außen gesehen habe. Und dann können sie einchecken, ob das tatsächlich so ist und sehen, oft passiert es, dass sie den Atem anhalten und das ist aber schon so automatisiert, dass das einem das nicht bewusst ist. Und da ist es ganz gut, jemanden im Außen als Spiegel zu haben.
[Elisabeth Seidel] (32:19 - 32:35)
In deinen Workshops geht es ja sicherlich auch um das Thema Sexualität. Wie können Frauen wiederentdecken, dass Sexualität eine Kraftquelle für sie ist?
[Constanze Baier] (32:36 - 34:00)
Ja, also in meinen Einzelcoachings und ich habe auch ein Workshop format, das heißt Juicy Wild Woman und da ist es mir einfach ein Anliegen, Frauen an ihre eigene Sexualität und somit auch an ihren eigenen Körper zurückzuführen. Und welche Kraft dahinter liegt, ich glaube Sexualität. Wir sind mit so einem Bild aufgewachsen, was Sexualität ist. Wir werden geprimed immer wieder mit Bildern, die wir sehen, wie das sein soll.
Und warum ist mir das so ein Anliegen? Weil ich irgendwann selber gemerkt habe oder ich kam irgendwann in eine Situation, wo ich irgendwie gedacht habe, wie kann das sein, dass dieser Mann meinen Körper offensichtlich besser kennt, als ich ihn kenne. Was ist hier eigentlich schief gelaufen?
Und das hat mich auf eine große Entdeckungsreise bewegt und das ist das, was ich Frauen einfach an die Hand geben möchte, dass sie ihren Körper einnehmen, dass sie ihn sich zurückerobern, dass sie selber auf Entdeckungsreise mit ihrem Körper gehen und in Verbindung. Und das ist das, was ich in meinem Workshops eben mache.
[Elisabeth Seidel] (34:00 - 34:23)
Das ist sicherlich so die Entdeckung der eigenen Lust auf sich selbst. Genau, die Lust. Und das ist ja auch irgendwie wahrscheinlich eng verbunden mit der Lust.
Mit Scham. Und Scham ist ja in der Sexualität ein großes Thema, gehe ich davon aus. Aber ja, auch eng verbunden mit der Lust aufs Leben.
[Constanze Baier] (34:24 - 36:03)
Auf alle Fälle, ja.
Danke, dass du das nochmal sagst. Für mich ist Sexualität oder diese orgastische Lebensfreude, ist für mich erstmal eine Lebensfreude. Das hat noch nichts mit Sexualität zu tun, sondern das ist die Lust aufs Leben.
Das ist für mich die Lust zu kreieren, sinnlich zu sein, mit all meinen Sinnen das Leben und mich selber genießen. Und erst wenn ich da wirklich in mir angekommen bin, dann kann ich den anderen nochmal ganz anders genießen. Dann kann die Verbindung einfach viel stärker werden.
Ich kann mich mehr zeigen. Ich würde sogar sagen, ich kann dann meine Lust das erste Mal wirklich verschenken. Alleine wenn ich das nur sage, merke ich, dass mein Körper in Wallung gerät und Freude einfach darüber zu reden.
Und das kann ich definitiv sagen. Früher war das total mit Scham verbunden, das überhaupt zu sagen. Darf man überhaupt so ein Gespräch haben?
Und ich stelle immer wieder fest, wenn ich dann in Gesellschaften mit anderen darüber rede, das ist als ob auf einmal so, endlich darf es sein. Und die Leute werden lockerer. Ich habe fast wirklich den Eindruck, dass es ein tiefes Verbot eigentlich da ist, dass man nicht mit anderen darüber redet.
Und wenn man es denn macht, dann ist es als ob der ganze Raum auf einmal lichtvoll wird. Der wird freudvoll. Es kommt so eine Lebendigkeit eben rein.
[Elisabeth Seidel] (36:04 - 36:21)
Also was du beschreibst, ist ja die weibliche Opulenz, von der du sprichst. Und hört sich auch an, dass allein durch das Sein oder dieses Ansprechen, dass es wie eine Einladung ist, auch für die anderen sich zu trauen, rauszugehen mit dem, was sie erleben, empfinden.
[Constanze Baier] (36:22 - 38:27)
Sehr spannend. Ja, genau. Da haben noch vielleicht eins, also der weibliche Körper ist so feinfühlig an so unterschiedlichen Stellen.
Und alleine eben, was wir gelernt haben, ist klitoraler Orgasmus. Ich finde, darauf wird so viel reduziert. Aber wenn man sieht eben, dass es zwölf verschiedene Orgasmen gibt, die Frauen entdecken können.
Wir sprechen immer davon, dass es so lange braucht, bis Frauen zum Orgasmus kommen. Haben wir denn jemals groß darüber gesprochen? Wie viele Frauen Orgasmen, welche Orgasmen sie und dass sie auch ursprünglicherweise von Natur aus hochorgastisch sind.
Da spricht keiner drüber. Da finde ich einen total wichtigen Fakt. Es wurde festgestellt, im Mutterbauch von Frauen wurden so Scans gemacht.
Und Sexualität entwickelt sich bereits im Baby Bauch. Das ist Teil der Evolution. Es wurde festgestellt, dass über Scans von Jungen und Mädchen, die sich ihre Hand in Schritt legen, ich glaube in der 30. Woche oder so, dass die die Hand in Schritt legen, der ganze Körper so feinfühlig ist. Dass über den Scan sie festgestellt haben, dass der Körper kontraktiert und Freude entsteht. Also man spricht davon, dass sie Orgasms haben.
Und dann denke ich mir, wow, wie sind wir denn da eigentlich weggekommen, wenn das von der Natur so angelegt ist in der 30. Schwangerschaftswoche, dass das Mädchen als auch der Junge sich die Hand in den Schritt legt und der Körper so fein ist, dass er zum Orgasmus kommt oder eben in diese Kontraktion.
Und dann bekommt es so einen komischen Twist einfach, wenn wir älter werden. Ja, total.
[Elisabeth Seidel] (38:29 - 39:03)
Also ich kann es jetzt nur von mir aus sagen, dass man jetzt auch in seiner Jugend nicht besonders aufgeklärt wird darüber. Also es gibt vielleicht Aufklärungsunterricht, aber ich denke, wenn das jetzt nicht in Familien natürlich anders stattfindet und jemand darüber spricht, wie du es tust oder jetzt haben wir natürlich viel mehr Informationen, die im Netz unterwegs sind, aber auch Missinformationen natürlich. Aber wo ziehen sich denn auch jugendliche Frauen wie Männer oder Jungs und Mädels ihre sexuelle Bildung?
Das kommt halt, denke ich, zum größten Teil auch aus Pornografie.
[Constanze Baier] (39:04 - 39:04)
Total.
[Elisabeth Seidel] (39:04 - 39:41)
Da gibt es ja auch schon viele Studien drüber oder Beobachtungen, dass es ja jetzt nicht irgendwas ist, was eben diese Art von Sexualität, von der du sprichst, zeigt. Es gibt sicherlich Differenzierungen, aber so im Generellen weiß ich nicht, ob die weibliche Opulenz, die weibliche Lust da so zur Geltung kommt oder ob es nicht eher eigentlich darum geht, dass Sachen gezeigt werden, wo es lediglich um irgendwie eine Art Befriedigung körperlicher Bedürfnisse geht.
[Constanze Baier] (39:42 - 40:41)
Ja, und das ist tatsächlich gerade, glaube ich, eine große Gefahr, dass wir uns aufgrund von Pornografie auf beiden Seiten, bei Männern als auch Frauen, mein Wort wäre, uns was vormachen oder etwas nicht Verbindendes lernen, weil eben diese vorgelebte Sexualität, wie sie denn sein soll, die erzeugt ja keine Verbindung und wenn wir dann auseinandergehen, erzeugt sie eine Leere auf beiden Seiten. Und das ist ja nicht dienlich und das ist auch nicht Sexualität. Für mich ist es das, dass wir dann, Sexualität da sind wir sehr offen und kommen uns näher, viel, viel näher und es entsteht eine große Verletzlichkeit, braucht auch eine große Vertrautheit und das, was wir oft in Pornografie sehen, ist nicht das.
[Elisabeth Seidel] (40:43 - 41:04)
Was würdest du empfehlen oder was würdest du sagen, wie ist die Möglichkeit für Frauen vielleicht ihre eigene Sexualität so ein bisschen besser zu entdecken, sich selbst ein bisschen besser zu entdecken? Ist es sich anfassen, sich einmal berühren oder in die Stille gehen? Was rätst du als Expertin?
[Constanze Baier] (41:06 - 42:58)
Auf alle Fälle ist für mich das Erste, langsamer zu werden, ja. Sexualität ist sehr viel mit Zielorientierung. Wir müssen jetzt diesen Orgasmus haben.
Es ist ein weites Feld, merke ich gerade, wo soll ich anfangen, darüber zu erzählen. Ich glaube, wenn man viel mit Sextoys eben sich selbst befriedigt, die mal wegzulassen. Das ist eine total schöne Entwicklung und ich kann total sehen, dass das hilfreich ist, dass Frauen überhaupt zum Orgasmus kommen.
Auf der anderen Seite, glaube ich, entsteht auch eine gewisse Taubheit, ja, wie du schon gesagt hast, weil kein Mann ist wie ein Vibrator. Und die Frage ist, geht das, wie geht es auch länger und sanfter? Und wie kann ich denn da überhaupt erkunden, entdecken, mich entdecken?
Einfach auch mal die Hand in den Schritt zu legen und in die Hand rein zu atmen, ja. Überhaupt die Brüste mal anzufassen. Jeder darf oder der Partner darf die anfassen.
Fasse ich die denn selber an? Gehe ich überhaupt mit denen in Verbindung, ja. Mir auch innezuhalten und zu gucken, was ist denn eigentlich, was erregt mich denn eigentlich?
Ist es Musik? Sind es Gerüche? Was genau ist, wenn mein Partner mich wie anfasst?
Was ist erregend und was ist nicht erregend? Auch einfach mal einen Spiegel zu nehmen, ja. Wir gucken den ganzen Tag oben in den Spiegel und warum nicht einfach mal den Handspiegel nach unten nehmen und damit in Verbindung gehen und zu gucken, wie sieht sie denn eigentlich aus, meine Vulva?
[Elisabeth Seidel] (43:00 - 43:38)
Ja, das sind einige gute Tipps. Ich glaube, das haben die wenigsten gemacht, sich wirklich mal anzugucken, warhzunehmen. Ja, vielen Dank für die Tipps.
Ich glaube, die werden für viele Frauen sehr hilfreich sein, sich mal neu zu entdecken. Das hat mich auch so ein bisschen erinnert an Tantra tatsächlich, wo es ja auch um die Tantra-Massage geht, wo es gar nicht, wo auch um Atmung eine Rolle spielt, wo es gar nicht in erster Linie geht, darum geht es sich zu befriedigen, sondern eigentlich um den ganzen Prozess davor.
[Constanze Baier] (43:39 - 44:27)
Total, das ist es. Ja, es ist eher der Prozess als der Akt. Zum Beispiel auch, wenn du noch mal, auch in Verbindung mit dem Partner, mit dem Partner im Augenkontakt zu bleiben und den anzuschauen, währenddessen man Sexualität lebt oder eben währenddessen man verbunden ist.
Oft haben wir die Augen zu. Kann ich dir in der ganzen Zeit wirklich über die Augen mit dir verbunden sein? Das kreiert eine tiefere Nähe.
Und da hat Tantra einfach eine total gute Aufklärungsarbeit gemacht. Die Frage ist, ob immer jeder in die Tantra dahin geht oder ob das nicht schon zu weit draußen ist. Und was sind die sanften Schritte für mich, die ich gerade bereit bin zu gehen?
[Elisabeth Seidel] (44:30 - 44:56)
So, liebe Konstanze, was ist denn deine Vision für eine weiblichere Zukunft? Im Leben, in der Gesellschaft, aber vielleicht auch in der Wirtschaft kommst du ja eigentlich aus einem großen Konzern. Jetzt habe ich dich noch gar nicht gefragt, was hat dich bewegt, dann da auszusteigen und deinen Weg zu gehen?
Vielleicht das erstmal, bevor wir dazu kommen, was deine Vision für weibliche Zukunft ist.
[Constanze Baier] (44:56 - 45:50)
Ja, bewegt hat mich irgendwann, als ich 40 geworden bin, habe ich gemerkt, mir fehlt was Entscheidendes im Leben und mir fehlt so eine Sinnhaftigkeit. Und ich hatte mich ja schon mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt und ich habe gemerkt, ich will nicht mehr nur in diesem männlichen Umfeld sein, sondern ich möchte das, was ich gelernt habe, auch weitergeben. Und deswegen habe ich mich dann eben selbstständig daraus gemacht.
Und heute in der Rückbetrachtung würde ich sagen, ich war schon im Wechsel.
[Elisabeth Seidel]
Aber es war für dich eben nicht möglich, das zu leben, innerhalb von diesem Kontext da im Betrieb zu sein?
[Constanze Baier]
Nee, das war schon sehr speziell oder es war einfach, ich bin auch viel in dem Bereich Tantra unterwegs gewesen und Sales und Tantra dann zusammen zu bringen, das war schwer.
Ich glaube, vor zehn Jahren ist das noch einfach unmöglich gewesen.
[Elisabeth Seidel] (45:52 - 45:57)
Es ist ja wahrscheinlich auch eine sehr Männerdominierte Welt gewesen.
[Constanze Baier] (45:57 - 46:13)
Und tatsächlich muss ich ehrlich sagen, dass ich an der Stelle auch gar nicht mit Sexualität in Verbindung gebracht werden wollte, weil da auch irgendwie die Frage wird es missverstanden?
[Elisabeth Seidel] (46:17 - 46:20)
Jetzt nochmal die Frage nach deiner Vision für eine weiblichere Zukunft.
[Constanze Baier] (46:20 - 47:13)
Ja, einfach, dass Frauen in ihrem Körper angekommen sind und das wissen, wer sie da drin sind. Wir sind die Frauen oder wir sind Frauen, die Kinder gebären, die unsere Gesellschaft gebären, im wahrsten Sinne des Wortes. Da dürfen wir verdammt stolz drauf sein.
Und wenn wir da einen großen Schritt weitergehen, ich glaube, da sind die Frauen im Job, im Leben stehen sie einfach ganz anders da. Und ich glaube, das hat auch eine gute Auswirkung auf Männer, weil ich glaube, dass wir insgesamt in der Gesellschaft mehr Würdigung für das Menschsein, für das Frausein und das Männliche eben brauchen.
[Elisabeth Seidel] (47:14 - 47:54)
Es wäre jetzt auch noch mal eine Frage gewesen, welche Rolle die Männer denn da hier spielen. Es gibt ja immer irgendwie eine Energie und dann gibt es meistens eine Gegenbewegung. Jetzt emanzipieren sich die Frauen, stehen mehr für sich ein.
Gleichzeitig hat man auch das Gefühl, dass so von der anderen Seite irgendwie so ein Gegenwind kommt. Es gibt aber auch Männer, die voll hinter einem stehen und so weiter. Ist das auch deine Erfahrung oder wie ist es mit deinen Klienten, die vielleicht auch einen Partner haben?
Wie reagieren die, wenn die Frau jetzt auf einmal sagt, ich gehe jetzt in meine Power, ich stehe für mich ein?
[Constanze Baier] (47:56 - 48:57)
Das hat ganz schöne Momente, das hat ganz wichtige Momente für die Frau. Es wirkt auch sehr oft belebend für die Partnerschaft und natürlich verursacht das auch, dass es an manchen Stellen eng wird und dass man sich fragen muss, möchte ich diese Art von Partnerschaft noch? Und immer wenn einer anfängt, sich zu verändern, muss der andere sich automatisch mit verändern.
Das ist die Natur Systemik. Und ich glaube, jetzt sind Frauen gerade einen ganz großen Schritt nach vorne gegangen, wenn man das sieht. Persönlichkeitsentwicklung haben gerade sehr, sehr viele Frauen gemacht.
Und Männer dürfen da hinterherkommen. Und ich glaube, es ist wichtiger denn je, dass wir ins Gespräch überhaupt kommen. Und wenn die Persönlichkeitsentwicklung der Frau nur dafür dient, dass Mann und Frau wieder ins Gespräch kommen.
[Elisabeth Seidel] (48:58 - 49:05)
Hast du denn Männer, die auf dich zukommen, die gerne mehr darüber lernen? Also gibt es auch Workshops für Männer oder noch nicht?
[Constanze Baier] (49:06 - 51:27)
Das habe ich noch nicht gemacht, aber es gibt einfach ganz, ganz schöne Momente und davon erzähle ich auch total gerne, weil das alleine kreiert ein neues Narrativ, was ich zuteil nicht kannte und was wir uns zum Teil auch nicht erzählen. Also zum Beispiel mit den Zyklus-Workshops, da kommen Männer zu meinen, dass sie dabei sein wollen bei meinen Zyklus-Workshops. Ich gebe ja auch Zyklus-Workshops in Unternehmen.
Die Resonanz von Männern ist wirklich groß, dass sie es verstehen wollen und auch Wissen darüber haben wollen. Ich komme gerade eben, hatte ich, ich hatte vor zwei, vor drei Wochen bei einem großen deutschen Unternehmen, habe ich einen Workshop gegeben und hatte gerade noch ein Feedback-Gespräch dazu. Da hat der Mann zu mir gesagt, vielen Dank, dass du darüber gesprochen hast, dass du auf der einen Seite über den weiblichen Zyklus gesprochen hast, das wusste ich alles nicht und dieser Satz, das wusste ich nicht.
Das ist ein Satz, den ich so oft von Männern höre und dafür stehe ich auch ein und sage, hey, lad mich ein. Ich bin gerne die, die das Gespräch eröffnet, auch in Unternehmen, weil einfach in Unternehmen ist ganz oft dieser Moment, wo man macht den ersten Schritt da drin in diesem Charme-Thema. Und jemand, der von außen kommt, kann das einfach viel leichter machen.
Der hat gesagt, danke, dass du über den weiblichen Zyklus gesprochen hast. Dass wir männliche Wechseljahre haben, wusste ich nicht und ich sehe immer wieder, es ist die Freude an dem Gespräch. Ein anderes Beispiel ist noch, ich habe einen Talk gegeben, Sexual Power for Success, also wie kann ich die sexuelle Kraft, lebenskreierende Kraft für mein Business nehmen.
Und danach sind drei Männer zu mir gekommen und haben gesagt, ich würde gerne mehr davon erfahren. Und die kamen, die wollten mehr über Sexualität von mir erfahren, weil sie ihrer Frau dienen wollten, besser dienen wollten, bessere Liebhaber sein wollten. Und das hat mich total tief berührt.
Und ich habe gedacht, wow, was ist, wenn wir sie mitnehmen auf unsere Reise der persönlichen Entwicklung.
[Elisabeth Seidel]
Also auch hier findet ein Aufwachen statt.
[Constanze Baier]
Definitiv, definitiv, ja.
[Elisabeth Seidel] (51:28 - 52:09)
Liebe Constanze, das war total wertvoll für mich und ich glaube für ganz ganz viele Zuhörer. Ich hoffe, dass deine Vision in Erfüllung geht, dass deine Mission weitergeht, dass wir lernen, jungen Frauen dieses Wissen weiterzugeben, dass du ganz viele ansteckst mit dem, was du weitergibst, mich auf jeden Fall.
Vielen, vielen Dank, dass du hier warst, dass du dein Wissen mit uns geteilt hast, deine Erfahrungen. Alles Gute dir. Vielen Dank für die Einladung.
[Constanze Baier] (52:09 - 52:11)
Danke fürs Zuhören. Danke, dass ihr bis hier hingehört habt.